
Die Forschung an der Schnittstelle von Neurowissenschaften, Empathie und psychischen Erkrankungen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Professor Philipp Kanske von der TU Dresden leitet innovative Studien, die das Verständnis der sozialen Interaktion im Gehirn vertiefen. Kanske untersucht gezielt, wie das Gehirn soziale Beziehungen managt und die Folgen, wenn solche Interaktionen fehlschlagen.
Kanske und sein Team analysieren die neuronalen Prozesse, die mit Empathie und Perspektivenübernahme in Zusammenhang stehen. Diese Grundlagenforschung ist besonders relevant für das Verständnis von psychischen Störungen, bei denen diese Fähigkeiten häufig beeinträchtigt sind. Beispielsweise ist die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme bei Menschen mit Autismus eingeschränkt, und auch Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung zeigen eine verringerte Empathiefähigkeit.
Aktuelle Forschungsprojekte
Ein neu durchgeführtes Experiment zur Empathie und Perspektivenübernahme nutzt bildgebende Verfahren (MRT), bei denen die Proband:innen mehr als 40 emotionale Videosequenzen betrachten. Der MRT-Scanner misst den Blutfluss in verschiedenen Gehirnregionen, um deren Aktivität zu bestimmen. Diese Erhebungen könnten nicht nur ein besseres Verständnis der Mechanismen bei psychischen Erkrankungen liefern, sondern auch neue Ansätze für die Psychotherapie ermöglichen.
Kanske betont, dass das Gehirn auch im Erwachsenenalter veränderbar ist. Ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben mit dem Namen „Behaviour in Context“ untersucht darüber hinaus, wie das Gehirn Verhalten in bestimmten Kontexten steuert. Die Einsichten aus dieser Forschung könnten sogar auf maschinelles Lernen übertragen werden, was den interdisziplinären Charakter seiner Arbeit unterstreicht.
Das doppelte Empathieproblem
Die Forschung von Kanske wird durch Studien zum sogenannten „doppelten Empathieproblem“ ergänzt. Diese Theorie von Damian Milton besagt, dass die Schwierigkeiten, die Autisten in sozialen Interaktionen erleben, auch von der unzureichenden Empathie der nicht-autistischen Partner herrühren. Ein Beispiel dafür ist eine Untersuchung aus dem Jahr 2024, die zeigte, dass autistische und nicht-autistische Menschen oft aneinander vorbei kommunizieren, obwohl beide Seiten Schwierigkeiten bei der Interpretation der sozialen Signale des jeweils anderen haben. Diese Erkenntnisse wurden durch eine fiktive Geschichte über einen autistischen Mitarbeiter in einem neurotypischen Umfeld verdeutlicht, die in einer Studie analysiert wurde.
Diese Untersuchung erzielte interessante Ergebnisse: 51 % der autistischen und 31 % der nicht-autistischen Versuchspersonen waren in der Lage, die Situation des Mitarbeiters zu erklären. Es stellte sich heraus, dass allgemeines Wissen über Autismus beiden Gruppen bei der Interpretation HALFEN kann, jedoch nicht die persönlichen Merkmale wie Bildungsniveau oder Geschlechtsidentität von Bedeutung waren.
Fazit und Ausblick
Die Kombination aus neurowissenschaftlicher Forschung und sozialpsychologischen Aspekten bietet spannende Perspektiven für die Behandlung von psychischen Erkrankungen sowie für das Verständnis sozialer Interaktionen. Es bleibt zu hoffen, dass die laufenden Projekte bei der TU Dresden und den dazugehörigen Erkenntnisse zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Autismus und anderen Störungen beitragen können.
Für weiterführende Informationen über die Herausforderungen der sozialen Interaktion und die psychologischen Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, sind die relevanten Forschungsschwerpunkte an der HU Berlin ebenfalls von großem Interesse. Dort trägt man zur Entwicklung von ökologisch validen Tests und Therapien für soziale Kognition und Kommunikation bei.