
Fünf Jahre nach den ersten Corona-Lockdowns in Berlin ziehen führende Politiker der damaligen rot-rot-grünen Koalition ein selbstkritisches Fazit. Michael Müller (SPD), Elke Breitenbach (Die Linke) und Silke Gebel (Grüne) reflektieren über die Maßnahmen, die von März 2020 an notwendig wurden, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Müller beschreibt die Situation als hilflos und erkennt, dass viele Entscheidungen oft übers Ziel hinausgeschossen sind. Breitenbach hebt hervor, dass die Interessen junger Menschen zu wenig in den Fokus gerückt wurden.
Die ersten Corona-Fälle in Berlin wurden im März 2020 festgestellt, und die WHO erklärte am 11. März 2020 die Pandemie. Schnell folgten drastische Maßnahmen: Am 14. März 2020 wurden Schulen, Kultureinrichtungen, Sportplätze, Fitnessstudios, Clubs und Bars geschlossen. Ab dem 17. März 2020 sagten Krankenhäuser planbare Operationen ab. Die ersten staatlichen Finanzhilfen wurden ab dem 27. März 2020 bewilligt, wobei die IBB binnen zwei Tagen Hunderte Millionen Euro an Soforthilfen auszahlte.
Fehler und Verbesserungsbedarf
Rückblickend erkennen die Politiker Fehler bei den Kontaktbeschränkungen, insbesondere während der Weihnachtszeit. Breitenbach und Müller kritisieren die unzureichende Berücksichtigung vulnerabler Gruppen und Gebel sieht die mehrwöchige Schließung der Schulen als einen großen Fehler an. Die Diskussion um eine gründliche Aufarbeitung dieser Erfahrungen ist inzwischen lauter geworden.
Bundespräsident Steinmeier fordert eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Müller schlägt vor, eine Enquetekommission oder einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Gebel und Breitenbach halten jedoch eine Enquetekommission für weniger geeignet und plädieren dafür, den Austausch mit betroffenen Bereichen zu suchen.
Gesellschaftliche Wunden und Forschungsbedarf
Gesundheitsminister Karl Lauterbach betont zudem, dass bei Kindern nach den Lockdowns noch viel gutzumachen sei. Die Coronapandemie, die im Jahr 2020 begann, hat zahlreiche gesellschaftliche Wunden hinterlassen, die bislang nicht vollständig geheilt sind. Politische Akteure sowie Wissenschaftler aus verschiedenen Parteien, darunter Bijan Djir-Sarai (FDP) und Gregor Gysi (Linke), sprechen sich für eine umfassende Aufarbeitung aus.
Die Diskussion wurde durch das Online-Magazin „Multipolar“ angestoßen, das Protokolle des RKI-Krisenstabs veröffentlicht hat. Mitglieder des Ethikrats fordern eine verantwortungsvolle Aufarbeitung, während Lauterbach die Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen als zu weitgehend kritisiert.
Forschungsprojekte zur Pandemie
In Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch die Pandemie verstärkt wurden, sind zahlreiche Forschungsprojekte initiiert worden. Diese zielen darauf ab, Erkenntnisse zu gewinnen, die für Politik und Gesellschaft von Nutzen sein können. Hier sind einige der zentralen Projekte:
- LoneCOVID (GESIS): Untersucht soziale Beziehungen und deren Einfluss auf psychische Gesundheit.
- StiPEx (Universität Greifswald): Erforschung von Stigmatisierung im Zusammenhang mit der Pandemie.
- CoESI (Deutsches Zentrum für Altersfragen): Analysiert soziale Integration im höheren Erwachsenenalter.
- Co-Care (Universitäten Tübingen und München): Untersucht Fürsorgedynamiken während der Pandemie.
- BasiC (Hochschule Ludwigshafen): Untersucht Auswirkungen auf Basic Workers in der Pandemie.
Diese Projekte, wie auch weitere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, sollen helfen, die resilienten Strukturen der Gesellschaft zu verbessern und den Erneuerungsbedarf von Institutionen zu analysieren. Auch die Forderung nach einer sachlichen Diskussion über die Pandemie und deren Auswirkungen bleibt aktuell.
RBB24 berichtet, dass diese Diskussion durch unterschiedliche Stimmen aus dem Bundestag belebt wird, während die Ampelkoalition sich bisher nicht auf eine einheitliche Form der Aufarbeitung einigen konnte.
Der Weg zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie ist noch lange nicht abgeschlossen. Politiker und Wissenschaftler stehen vor der Herausforderung, sowohl die positiven als auch die negativen Erfahrungen und deren Lektionen für die Zukunft zu evaluieren. Eine fundierte Reflexion könnte dazu beitragen, zukünftige Krisen besser zu bewältigen.
Die Themen rund um die Aufarbeitung der Corona-Pandemie und deren sozioökonomische Auswirkungen werden weiterhin intensiv beleuchtet. Während diese Reflexion voranschreitet, bleibt die Hoffnung, dass die Gesellschaft aus den gemachten Erfahrungen lernen kann, um resilienter in die Zukunft zu schauen.