
Das bayerische Kultusministerium zieht nach dem ersten Halbjahr der „Verfassungsviertelstunde“ eine positive Bilanz. Dieses neu eingeführte Element der politischen Bildung, das zu Beginn des Schuljahres 2024/2025 in bayerischen Schulen implementiert wurde, erhielt bisher zum Großteil positive Rückmeldungen. Insbesondere Schülerinnen und Schüler sollen sich einmal pro Woche intensiv mit den Werten des Grundgesetzes sowie der Bayerischen Verfassung auseinandersetzen. Die „Verfassungsviertelstunde“ wird in den Klassen 2, 4, 6, 8 sowie in der 11. Jahrgangsstufe an Gymnasien und Fachoberschulen angeboten und ist für alle Schulen in Bayern Pflicht, wenngleich nicht in allen Jahrgangsstufen.
Kultusministerin Anna Stolz hebt hervor, dass es entscheidend sei, die Bedeutung der Verfassung im Alltag zu vermitteln. Die Werte wie Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz sollen durch diese Maßnahme gestärkt werden. Zudem betont sie die Wichtigkeit der eigenverantwortlichen Gestaltung dieser Stunde durch die Lehrkräfte, die Freiraum in der Aufbereitung der Inhalte haben.
Kritische Stimmen zur Umsetzung
Trotz der positiven Rückmeldungen gibt es auch kritische Stimmen zu der Umsetzung des Programms. Der Bildungsforscher Klaus Zierer äußert gemischte Kritik. Er fordert mehr als die angesetzten 15 Minuten pro Woche, um eine effektive Demokratiebildung zu gewährleisten.
Zierer schlägt vor, Schulversammlungen und Dilemma-Diskussionen in das Konzept einzubeziehen. Zudem sieht er das Neutralitätsgebot der Lehrkräfte nicht als Hindernis an, um klare Positionen gegen Extremismus und Rassismus zu beziehen. Zierer weist darauf hin, dass die Qualität der Umsetzung stark von der Vorbereitung und dem Engagement der Lehrkräfte abhängt. Die Herausforderung, demokratische Prinzipien zu vermitteln, wird von mehreren Lehrkräften bestätigt, die sich überfordert fühlen.
Der Hintergrund des Projekts
Das Projekt „Verfassungsviertelstunde“ wurde ins Leben gerufen, um den mittlerweile eher schwachen Rang Bayerns in der politischen Bildung zu verbessern. Laut einer Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2022 schneiden die Schulen in Bayern im bundesweiten Vergleich schlecht ab. Die Einführung der „Verfassungsviertelstunde“ wird als ein Schritt betrachtet, um Demokratiebildung langfristig zu stärken.
Beispielhaft wird berichtet, dass an der Münchner Grundschule Berg am Laim Schülerinnen und Schüler aus über 80 Nationen aktiv in Entscheidungen, etwa bei der Anschaffung neuer Radständer, einbezogen werden. Die „Verfassungsviertelstunde“ soll auch praktische Beispiele wie Klassensprecherwahlen und Rollenspiele zu Grundrechten umfassen. Ein fester Unterrichtsfachstatus ist dabei bewusst ausgeschlossen, um Flexibilität in der Umsetzung zu gewährleisten.
Ein Ausblick auf die Zukunft
Für die Zukunft ist eine Evaluation der „Verfassungsviertelstunde“ im Schuljahr 2025/2026 geplant, um die gesammelten Erfahrungen auszuwerten und eventuell auf weitere Jahrgangsstufen auszuweiten. Der Bedarf an einem umfassenden Ansatz in der Bildung, insbesondere in der politischen Bildung, wird auch in weiteren Bildungskontexten diskutiert. Der Bildungsjournalist Armin Himmelrath spricht sich in einem SWR-Podcast dafür aus, einen neuen gesellschaftlichen Diskurs über die Bildungspolitik zu führen, da der Globalisierung und den Herausforderungen im Bildungsbereich Rechnung getragen werden muss.
Die Diskussion um die Rolle des Bildungsföderalismus und die Notwendigkeit einer bundesweiten Strategie bleibt dabei ein zentraler Punkt, um die verschiedenen Herausforderungen des Bildungssystems in Deutschland anzugehen und innovativ zu begegnen. Während „Verfassungsviertelstunde“ also als ein Schritt in die richtige Richtung gesehen wird, bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Bildungsmaßnahmen in Bayern und darüber hinaus entwickeln werden.
Die vollständige Berichterstattung finden Sie in den detaillierten Artikeln auf PNP, BR und bpb.