
Im Ligurischen Hinterland, etwa 500 Meter über dem Mittelmeer, liegt das charmante Bergdorf Seborga. Mit einer Bevölkerung von ca. 278 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2023) ist das Dorf bekannt für seine reiche Geschichte und seine beeindruckende Lage zwischen Ospedaletti und Bordighera. Seborga, ein Mitglied der Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“, verdankt seine Faszination nicht nur der malerischen Landschaft, sondern auch der einzigartigen Behauptung, ein unabhängiges Fürstentum zu sein.
Die Geschichte Seborgas reicht zurück bis ins Jahr 954, als das Dorf erstmals als „Castrum de Sepulchro“ in historischen Dokumenten erwähnt wurde. Ursprünglich gehörte Seborga zur Grafschaft Ventimiglia und war über Jahrhunderte hinweg von verschiedenen Herrschern geprägt. So wurde das Dorf 1729 an Viktor Amadeus II. von Savoyen verkauft, jedoch wurde dieser Vertrag nie offiziell registriert. Dies bildete die Grundlage für die spätere Unabhängigkeitsbewegung, die insbesondere von Giorgio Carbone geprägt wurde.
Die Unabhängigkeitserklärung
In den 1960er Jahren entdeckte Carbone, dass die Souveränität Seborgas nie rechtlich anerkannt worden war. Am 14. Mai 1963 wurde er von den Dorfbewohnern in einer symbolischen Geste zu ihrem Fürsten gewählt und nannte sich Principe Giorgio I. Diese proklamierte Unabhängigkeit fand ihren Höhepunkt im Jahr 1995, als eine Mehrheit der Einwohner in einem Referendum für die Gründung des Fürstentums Seborga stimmte. Trotz dieser Erklärung hat die italienische Regierung die Unabhängigkeit nie anerkannt, und die italienische Rechtsordnung bleibt für das Dorf weiterhin gültig.
Marcello Menegatto, der nach dem Tod von Giorgio I. im Jahr 2009 als Marcello I. zum Fürsten gewählt wurde, regierte bis 2018. Unter seiner Herrschaft blieb die Idee der Unabhängigkeit ein wichtiger Teil der lokalen Identität. Seit 2019 wird Seborga von Nina I. regiert, die die erste Prinzessin des Fürstentums ist und aus Kempten, Deutschland, stammt.
Der Luigino und die Währungspolitik
In einem weiteren Schritt zur Förderung ihrer Identität hat Seborga eine eigene Währung, den Luigino, herausgegeben, der im Verhältnis eins zu sechs an den US-Dollar gekoppelt ist. Diese Währung wird neben dem Euro als Zahlungsmittel akzeptiert und ist ein fester Bestandteil der lokalen Wirtschaftsstrategie, die auch den Tourismus umfasst. Souvenirartikel, wie nichtamtliche Briefmarken und Fantasie-Ausweispapiere, haben sich als beliebte Erinnerungsstücke für Touristen etabliert.
Die Dorfbewohner zahlen ihre Steuern an Rom, was den besonderen Status Seborgas verdeutlicht. Der Ort ist zudem diplomatisch aktiv und verfügt über Konsulate in Ländern wie Nigeria und Brasilien. Die italienische Regierung lässt Seborga weitgehend in Ruhe, was den Bewohnern eine gewisse Autonomie gewährt.
Sehenswürdigkeiten und Feste
Seborga bietet eine Reihe von historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Die Kirche des Heiligen St. Bernhard, die mit den Tempelrittern in Verbindung gebracht wird, ist eine der ältesten Attraktionen und ein beliebter Ort für Feste. Jährlich wird am 20. August, dem Nationalfeiertag, in dieser Kirche die Krönung der Fürsten gefeiert. Weitere bedeutende Gebäude sind die Chiesa parrocchiale di San Martino, die zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert erbaut wurde und 2006 restauriert wurde, sowie das Oratorio di San Bernardo.
Veranstaltungen wie die Festa di San Bernardo oder die Festa di Primavera ziehen sowohl lokale Bewohner als auch Touristen an und stärken die Gemeinschaftsbindung. Die mittelalterliche Stadtanlage Seborgas, mit gut erhaltenen Stadtmauern und vier Zugangstoren, bietet einen Blick in die reiche Geschichte des Dorfes und ist ein beliebter Anziehungspunkt für Besucher.
Das Interesse an Seborga wächst, nicht zuletzt durch Medienberichte und die attraktive touristische Lage in der Blumenriviera. Besucher sind besonders an Sommerwochenenden von der Faszination dieses kleinen Fürstentums angezogen, das seinen ganz besonderen Charme dank seiner einzigartigen Geschichte und der unkonventionellen Behauptung der Unabhängigkeit bewahrt hat.