
In Bayern tobt ein Streit um die Rückgabe von Kunstwerken, die während des Nationalsozialismus jüdischen Sammlern geraubt wurden. Die Forderung nach Rückgabe dieser als Raubkunst einstufbaren Werke wird zwar von vielen als notwendig erachtet, doch die Umsetzung bleibt problematisch. Unklarheiten darüber, wann genau ein Raub vorliegt, führen zu langanhaltenden Debatten. Besonders im Fall von „Madame Soler“ von Pablo Picasso ist dies der Fall. Es besteht sogenannte Einigkeit darüber, dass Raubkunst an die Opfer oder deren Erben zurückgegeben werden sollte. Dennoch kritisieren Nachfahren jüdischer Kunsthändler die Staatsregierung und Kunstminister Markus Blume (CSU) für deren mangelhafte Kommunikationspolitik und Entscheidungsprozesse.
Anwälte wie Markus Stötzel werfen Blume vor, Verantwortung abzulehnen und Entscheidungen an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu delegieren. Dies führt dazu, dass betroffene Familien oft das Gefühl haben, sie würden zu Bittstellern degradiert und nicht ernst genommen, so der Anwalt Hannes Hartung. Interne Berichte legen nahe, dass sich etwa 200 als Raubkunst identifizierte Werke im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befinden. Daneben gibt es 800 weitere Werke, bei denen ein Verdacht auf Raubkunst besteht.
Forderungen nach Transparenz und zügiger Restitution
Zusätzlich zu den bereits genannten kritischen Stimmen gibt es drängende Forderungen nach mehr Transparenz und einer zügigeren Bearbeitung von Rückgabefällen. Juristen haben die Veröffentlichung einer internen Liste mit den als Raubkunst markierten Kunstwerken gefordert, welche 900 Seiten umfasst. Diese Liste enthält detaillierte Informationen über die Kunstwerke, einschließlich Fotos und der Geschichten ihrer ursprünglichen Besitzer. Jedes dieser Werke ist mit einem System gekennzeichnet, das anzeigt, dass es als NS-Raubkunst eingestuft wurde. Die Informationen stammen aus der internen Datenbank „MuseumPlus“ und sind bisher nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ein zentrales Anliegen der Kritiker ist die frühzeitige Identifizierung und Kontaktaufnahme mit den Erben, insbesondere wenn ein Verdacht auf Raubkunst besteht. Dies steht im Einklang mit den Washingtoner Prinzipien. Viele betroffene Familien besitzen private Dokumente, die zur Klärung von Rückgabefällen beitragen könnten. Die öffentliche Diskussion über die Provenienz dieser Kunstwerke wird durch das Zögern der Staatsregierung erschwert.
Ein Blick auf die Provenienzforschung
Um die Thematik der Rückgabe von Kunstwerken weiter zu kontextualisieren, wird die Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung erwähnt, die 2008 gegründet wurde. Ihre Ziele sind es, Forschungsergebnisse zu präsentieren und diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit September 2021 sind die ersten acht Bände als Open Access Publikationen erhältlich. Der neueste Band thematisiert die Rückgabe von Kunstwerken, die während der NS-Zeit geraubt wurden und dokumentiert die Entwicklung des Kunstrückgabegesetzes in Österreich über 25 Jahre.
Die Kommission wirkt seit ihrer Gründung im Jahr 1998 an der öffentlichen Diskussion über die Rolle von Kunstinstitutionen während des Nationalsozialismus mit. Verschiedene Bände behandeln relevante Themen wie die Provenienzforschung in Museen, Rückgabebeschlüsse und auch die Behauptungen des Kunstmarktes. Auf diese Weise wird die Dringlichkeit einer transparenten Aufarbeitung des Themas weiter unterstrichen.
Experten fordern, dass die Bayerische Staatsregierung den Druck der Kritiker ernst nimmt und aktiv an Lösungen arbeitet, die nicht nur den rechtlichen, sondern auch den moralischen Ansprüchen gerecht werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Situation um die NS-Raubkunst in Bayern entwickeln wird.
Diese Problemstellung verdeutlicht nicht nur die Herausforderungen der Provenienzforschung, sondern auch die dringenden Fragen nach der Verantwortung von staatlichen Institutionen im Umgang mit der Vergangenheit. Die Diskussion um die Rückgabe der Raubkunst in Bayern scheint längst überfällig und wird nicht nur von den Betroffenen, sondern auch von der Gesellschaft insgesamt mit Spannung verfolgt.