
Manfred Genditzki weiß, wie es ist, mehr als 13 Jahre seines Lebens unschuldig im Gefängnis zu verbringen. Der Mann, der 2010 wegen Mordes an einer 87-jährigen Rentnerin verurteilt wurde, wurde im Juli 2023 vom Vorwurf des Badewannenmordes freigesprochen. Das Landgericht München I stellte fest, dass es sich um einen Justizirrtum handelte; die Rentnerin war laut neuerer Gutachten aufgrund eines Sturzes und nicht durch ein Verbrechen zu Tode gekommen. Diese Wendung brachte für Genditzki einen Funken Hoffnung, jedoch gleichzeitige Herausforderungen mit sich. Die Generalstaatsanwaltschaft München kürzte seine Schadensersatzforderung von knapp 551.000 Euro um fast 100.000 Euro aufgrund von Abzügen für Kost und Logis sowie für seine Arbeit in der Gefängniswäscherei.
Die Abzüge von insgesamt 99.421,54 Euro beinhalten 50.442,48 Euro für Verpflegung und Unterkunft und 48.979,06 Euro für die niedrig bezahlte Arbeit im Gefängnis. Die bayerische Justiz betrachtet diese Abzüge als rechtmäßig, basierend auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen von 1971. Genditzkis Anwältin, Regina Rick, hält diese Berechnung jedoch für absurd und grotesk. Sie argumentiert, dass es ungerecht sei, von einem Justizopfer, das unschuldig verurteilt wurde, auch noch finanzielle Abzüge aufgrund von Haftkosten zu verlangen.
Der Streit um die Entschädigung
Bereits vor seiner Freisprechung klagte Genditzki wegen seines unwiderruflichen Verlustes von Freiheit und der damit verbundenen psychischen Folgen gegen den Freistaat Bayern. Er strebt eine Schmerzensgeldzahlung von mindestens 750.000 Euro an. Bislang erhielt er rund 368.000 Euro Haftentschädigung und 452.000 Euro Schadensersatz, was aufgrund der langen Haftzeit von 4.916 Tagen eine Entschädigung von 75 Euro pro Tag ausmacht.
Sein Schicksal wirft Fragen zur Fairness und Gerechtigkeit innerhalb des deutschen Justizsystems auf. Experten kritisieren, dass Häftlinge für ihre Arbeit im Gefängnis nur minimal entlohnt werden, was bei einem Stundenlohn von etwa zwei Euro kaum ausreicht, um ihre Existenz zu sichern. Eine Reform des Strafrechtsentschädigungsgesetzes, die das Ausmaß der Entschädigung für Justizopfer verbessern sollte, wurde aufgrund politischer Unstimmigkeiten nicht umgesetzt. Genditzki wird sich weiterhin gegen die Forderungen der bayerischen Justiz stemmen, die sich auf „Vorteilsausgleich“ berufen.
Ähnliche Schicksale und rechtliche Grauzonen
Die Geschichte von Manfred Genditzki ist nicht einzigartig. Andere justizierte Unschuldige wie Gustl Mollath haben ebenfalls um den Erhalt ihrer gerechten Entschädigung kämpfen müssen. Mollath erhielt 2019 nach einer Klage gegen den Freistaat Bayern etwa 670.000 Euro. Die Berichterstattung über solche Fälle verdeutlicht die Notwendigkeit, klare Regelungen zu schaffen, um zu verhindern, dass Justizopfer für die Fehler des Staates zur Rechenschaft gezogen werden.
Genditzkis fortdauernder Rechtsstreit und die emotionalen Belastungen, die er durchlebt, verdeutlichen das schwere Gewicht der Justizirrtümer. Er selbst äußert, dass die juristischen Auseinandersetzungen auch nach seiner Freilassung an seinen Nerven zehren. Der Fall könnte als Beispiel dienen, um die Diskussion über die Notwendigkeit von Reformen im deutschen Justizsystem anzufachen.