
Am 13. Februar 2023 machte ein Neutrino mit einer beispiellosen Energie von etwa 220 PeV Schlagzeilen, das vom ARCA-Detektor des Neutrinoteleskops KM3NeT vor Sizilien registriert wurde. Laut der FAU handelt es sich um die höchste jemals gemessene Energie für ein Neutrino. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht, und Wissenschaftler des Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) der FAU waren maßgeblich am Design, Bau und der Analyse der Daten beteiligt.
Das bemerkenswerte Ereignis, bezeichnet als „KM3-230213A“, beschreibt die Bewegung eines Myons, das durch den ARCA-Detektor schoss und von mehr als einem Drittel der aktiven Sensoren erfasst wurde. Neutrinos, oft als „Geisterteilchen“ bezeichnet, existieren in drei „Flavors“: Elektron, Tau und Myon. Die gemessene Energie des Neutrinos ist etwa 10.000-mal höher als die Teilchenstrahlen am Large Hadron Collider (LHC). Diese Eigenschaften machen Neutrinos zu wertvollen Informationsquellen über rätselhafte kosmische Ereignisse.
Wissenschaftliche Bedeutung der Neutrino-Entdeckung
Die Existenz von Neutrinos ist nach wie vor mit vielen Fragen verbunden, vor allem hinsichtlich der Quellen und Beschleunigungsmechanismen für hochenergetische Teilchen im Universum. Das KM3NeT-Teleskop, dessen Aufbau im Dezember 2015 begann, zielt darauf ab, einige dieser Fragen zu beantworten und wurde in zwei Teile gegliedert: ARCA für hochenergetische Neutrinos und ORCA zur Untersuchung ihrer Eigenschaften. ARCA befindet sich in 3450 Metern Tiefe, etwa 80 Kilometer von Sizilien entfernt, während ORCA in 2450 Metern Tiefe, 40 Kilometer von Toulon, Frankreich, positioniert ist.
Die Konstruktion des KM3NeT-Teleskops umfasst Hunderttausende von sphärischen Detektoren, die vertikal im Wasser suspendiert sind. Mit einem Volumen von einem Kubikkilometer Wasser soll das Teleskop eine Grundfläche von 400.000 olympischen Schwimmbecken abdecken. Über 6.000 Sphären, jede mit 31 Photomultiplier-Röhren ausgestattet, sind notwendig, um die von Neutrinos erzeugten Lichtblitze zu erkennen. Aufgrund der Positionierung unter Wasser hat KM3NeT den Vorteil, dass weniger Lichtstreuung auftritt, wodurch die Erkennung und Identifizierung von Neutrinoquellen präziser wird.
Vergleich und Ergänzung zu anderen Observatorien
Im Vergleich dazu wurde IceCube Neutrino Observatory in der Antarktis bereits 2011 in Betrieb genommen und legte die grundlegende Möglichkeit des Neutrionachweises in Eis fest. IceCube hat ebenfalls Hinweise darauf gefunden, dass einige Neutrinos von Blazaren ausgehen. Beide, KM3NeT und IceCube, nutzen die Tscherenkow-Strahlung, die entsteht, wenn Neutrinos mit Wasser oder Eis interagieren. Die unterseeische Lage von KM3NeT erlaubt eine umfassende Sammlung von Daten, die das Verständnis von Neutrinos im Vergleich zu IceCube erheblich erweitern können.
Die KM3NeT-Kollaboration umfasst über 360 Wissenschaftler und Techniker aus fast 70 Institutionen weltweit. Die Daten, die von dem Teleskop gesammelt werden, sind nicht nur für die Astronomie wichtig, sondern werden auch öffentlich zugänglich gemacht, um die wissenschaftliche Gemeinschaft zu unterstützen. Die gleichzeitige Beobachtung von Gammastrahlung und Neutrinos, bekannt als die Multi-Messenger-Methode, eröffnet neue Horizonte in der Neutrinoforschung und könnte unsere Sicht auf hochenergetische Prozesse im Kosmos revolutionieren.
Die Entdeckung des Neutrinos mit solch extremer Energie ist ein Anreiz für weitere Forschung und Beobachtung. Die laufenden Bemühungen, die Quellen kosmischer Strahlung zu identifizieren, könnten uns entscheidende Einblicke in die einzigartigen physikalischen Bedingungen des Universums bieten, die viele Wissenschaftler seit Jahrzehnten versuchen zu entschlüsseln.