
In einer bedeutsamen diplomatischen Mission besucht die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Syrien zum zweiten Mal seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad. Der Besuch, der in Damaskus stattfindet, erfolgt zu einem kritischen Zeitpunkt, nur zwei Wochen nach einem verheerenden Gewaltausbruch im Nordwesten Syriens, bei dem zahlreiche Zivilisten ihr Leben verloren haben. Baerbock wird in diesen Gesprächen von Armin Laschet, einem CDU-Bundestagsabgeordneten, begleitet. Einzelheiten über das Programm bleiben aus Sicherheitsgründen im Verborgenen.
Unmittelbar nach ihrer Ankunft äußerte Baerbock ihr starkes Bedauern über die gezielte Tötung von Zivilisten, die sie als schweres Verbrechen bezeichnete. Diese Vorfälle haben das ohnehin schon wackelige Vertrauen zwischen den internationalen Gemeinschaften und den neuen syrischen Behörden weiter geschädigt. Die Außenministerin kündigte anhaltende humanitäre Unterstützung an und sprach von möglichen Lockerungen von Sanktionen gegen die Übergangsregierung, die unter Präsident Ahmed al-Scharaa agiert, jedoch unter bestimmten Vorbedingungen.
Politische Neubewertung und humanitäre Hilfen
Das Assad-Regime wurde im Dezember 2024 durch eine militante Rebellenallianz unter der Führung der islamistischen Gruppe Hay’at Tahrir al-Sham gestürzt. Aktuell sehen die neuen Machthaber die jüngsten Gewaltausbrüche als direkte Versuche der Assad-Anhänger, einen neuen Bürgerkrieg zu initiieren. Baerbock forderte vehement eine Aufarbeitung der Verbrechen unter dem Assad-Regime und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Notwendigkeit, Extremismus und Terrorismus zu bekämpfen, sowie einen politischen Neubeginn zwischen Europa und Syrien scheint für Baerbock unabdingbar, um den Menschen im Land Frieden und Sicherheit zu bieten.
Die humanitäre Lage in Syrien ist katastrophal. Laut den Vereinten Nationen benötigen über 15 Millionen Menschen dringend Hilfe, was mehr als der Bevölkerung der 15 größten Städte in Deutschland entspricht. Baerbock plant, mit ihrem Besuch Druck auf die syrische Übergangsregierung auszuüben, um sicherzustellen, dass diese die Kontrolle über militante Gruppierungen hat und die Situation für die Zivilbevölkerung verbessert wird. Über 90 Prozent der syrischen Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die Bürgerkriegsjahre haben nicht nur zu einem massiven Verlust an Menschenleben geführt – über 300.000 Tote und mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat ihre Heimat verlassen –, sondern auch zu einer humanitären Katastrophe, die durch Erdbeben im Februar und andere Krisen noch verschärft wurde.
Wiederaufbau und Unterstützung
Deutschland plant auch, beim Wiederaufbau Syriens zu helfen, etwa durch die Instandsetzung des wichtigen Kraftwerks Deir Ali, das derzeit etwa die Hälfte des Strombedarfs des Landes deckt. Dieses Kraftwerk ist jedoch in einem kritischen Zustand. Während des Besuchs wird Baerbock voraussichtlich erneut Ahmed al-Scharaa treffen, dessen deutliche Abweisung – er schüttelte ihr bei ihrem letzten Treffen nicht die Hand – in Deutschland für Aufregung sorgte und zeigen könnte, wie angespannt die Beziehungen sind.
Deutschland hat in den letzten Jahren umfangreiche Hilfen für Syrien geleistet. Die Bundesregierung hat, besonders nach den Erdbeben, eine zusätzliche Unterstützung in Höhe von 238 Millionen Euro zugesagt. Der Zugang zu den hilfsbedürftigen Bürgern bleibt eine der größten Herausforderungen, da der Konflikt Syrien in verschiedene Unterbereiche unterteilt hat, von denen jeder von unterschiedlichen Akteuren kontrolliert wird. Initiativen zur Verbesserung der humanitären Hilfe stehen auf der Agenda, insbesondere beim bevorstehenden Koordinierungstreffen in Berlin.
Baerbock betont die Bedeutung von Freiheit, Sicherheit und Chancen für alle Menschen in Syrien, unabhängig von ihrer Ethnie oder Religion. Diese Reise stellt einen entscheidenden Schritt in der deutschen Außenpolitik dar und könnte maßgeblich dazu beitragen, die geopolitische Stabilität in der Region zu fördern.