
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) sieht sich erneut schweren Vorwürfen ausgesetzt, die von ehemaligen Athletinnen geäußert wurden. In den letzten Tagen haben die ehemaligen Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm alarmierende Berichte von „systematischem körperlichen und mentalen Missbrauch“ am Bundesstützpunkt Stuttgart veröffentlicht. Diese Vorwürfe werfen ein gravierendes Licht auf die Bedingungen im deutschen Turnsport und die damit verbundenen Herausforderungen im Leistungssystem.
Der DTB reagierte umgehend und gab bekannt, dass er Maßnahmen zur Aufarbeitung der Vorwürfe einleiten wird. Zwei Übungsleiter wurden vorläufig bis zum 19. Januar freigestellt, während der Verband und der Schwäbische Turnerbund (STB) an einer umfassenden Untersuchung arbeiten. Diese wird sich sowohl mit Fehlverhalten von Trainern als auch mit strukturellen Mängeln innerhalb des Leistungssportsystems befassen, wie sie auf Deutsche Welle berichtet. DTB-Präsident Michael Vesper stellte fest, dass der angestrebte Kultur- und Strukturwandel Zeit benötigen wird, jedoch sind bereits erste Schritte zur Verbesserung der Situation ergriffen worden.
Alarmierende Berichte von Athletinnen
Tabea Alt, die ihre Erfahrungen in einem Instagram-Post teilte, berichtete zudem von extremen Drucksituationen während ihrer aktiven Zeit, darunter das Turnen mit gebrochenen Knochen und das Vorhandensein von Essstörungen. Ihre Aussage spiegelte die katastrophalen Umstände wider, die auch Michelle Timm bestätigte, als sie auf die massiven Probleme im Trainerteam hinwies. Laut Die Welt fühlt sich die Situation nicht nur auf Stuttgart beschränkt, denn auch andere Trainingsstandorte sind betroffen.
Eine weitere Athletin, Lara Hinsberger, die ebenfalls über gravierende Missstände berichtete, fühlte sich über Jahre hinweg behandelt wie ein Gegenstand. Ihre Erfahrungen schließen körperliche Verletzungen ein, die sie teilweise gegen ärztlichen Rat hinaktiv weitertrainierte, was schließlich zu einer Stressfraktur und einem Meniskusriss führte. Im Jahr 2019 wog sie mit einer Körpergröße von 1,60 Metern nur 37 Kilogramm, während Sorgen von Außenstehenden ignoriert wurden.
Maßnahmen zur Reform
Kim Bui, eine frühere Spitzenturnerin, betonte die Notwendigkeit von Respekt und Menschlichkeit im Turnsport. Sie forderte arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Missstände und erkannte ein manipulatatives System, das viele Athletinnen erniedrigte. Elisabeth Seitz, die deutsche Rekordmeisterin, sprach sich ebenfalls für eine umfassende Aufarbeitung aus und betonte die Dringlichkeit von Reformen im deutschen Turnen.
Der Deutsche Turner-Bund hat bereits Maßnahmen zur Belastungssteuerung im Training eingeführt und plant, Workshops mit Sportpsychologen durchzuführen. Diese Schritte sind Teil einer breiteren Strategie, um die identifizierten Problemfelder wie den Umgang mit Verletzungen und die pädagogische Steuerung grundlegend zu verbessern. Der Verband sieht zwar Fortschritte, erkennt jedoch auch an, dass der Weg zur vollständigen Transformation noch langwierig sein wird.
Die Situation am Bundesstützpunkt Stuttgart wirft nicht nur Fragen zur Verantwortung der Trainer, sondern auch zur Struktur und Kultur des gesamten deutschen Turnens auf. Athletinnen fordern lautstark Reformen in einem System, das ihrer Meinung nach an entscheidenden Stellen versagt hat.