
Kim Janas, eine ehemalige Turnerinnen-Ikone, hat in einem aufrüttelnden Instagram-Post schwerwiegende Missstände im deutschen Turnen angeprangert. Die mittlerweile 25-Jährige, die im Jahr 2016 ihre Karriere aufgrund dreier Kreuzbandrisse beendete, beleuchtet nicht nur den Umgang mit Verletzungen, sondern auch Fragen der Ernährung und des psychischen Drucks, denen sie als Sportlerin ausgesetzt war. In ihrem Beitrag beschreibt sie eindringlich die Ängste und den Mentalen Stress, die sie während ihrer Laufbahn empfand.
Besonders markant ist Janas‘ Schilderung der täglichen Kontrollen, die sie durchlaufen musste, um ihr Gewicht in den Griff zu bekommen. „Taschenkontrollen“ und tägliche Wiegungen waren dabei an der Tagesordnung, um die Kontrolle über die Körpergewichte der Athletinnen zu halten. Trotz eines Körperfettanteils von nur 9 Prozent wurde sie fälschlicherweise als „dick“ bezeichnet. Lebensmittel wie Brot oder Wurst wurden ihr strikt untersagt, was zu einem gestörten Verhältnis zu Essen führte. Janas erinnert sich, dass sie selbst auf dem Bett hüpfte, um Gewicht zu verlieren, aus Angst vor negativen Konsequenzen.
Psychische Belastungen und der Umgang mit Verletzungen
Janas berichtet, dass die Trainer ihre physiologischen und psychischen Schmerzen während ihrer Karriere oft nicht ernst nahmen. Ein prägnantes Beispiel ist ihr erster Kreuzbandriss im Alter von 13 Jahren. Diese Ignoranz hat dazu beigetragen, dass sie auch Jahre nach ihrem Rückzug aus dem Leistungssport immer noch nicht vollständig geheilt ist. „Es gibt nicht genügend Worte, um zu beschreiben, was diese Zeit mit mir gemacht hat“, sagt sie und betont, dass sie trotz ihrer Bemühungen, besser damit umzugehen, immer noch „nicht ganz geheilt“ ist.
Diese Erfahrungen sind nicht einzigartig für Janas. Eine zunehmende Zahl von ehemaligen Turnerinnen, unter anderem Tabea Alt und Michelle Timm, hat ähnliche Missstände an den Sportstützpunkten in Stuttgart öffentlich gemacht. Im Zuge dieser Vorwürfe wurden zwei Trainer vorläufig freigestellt, und der Deutsche Turner-Bund sowie der Schwäbische Turnerbund haben angekündigt, sich den Anschuldigungen zu widmen, allerdings gab es bisher keine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen.
Langfristige Auswirkungen und psychiatrische Probleme im Profisport
Das Leid, das Janas und andere Athleten erlitten haben, wird durch Studien unterstützt, die auf die psychischen Herausforderungen im Leistungssport hinweisen. Athleten sind oft Stressoren ausgesetzt, die ein hohes Risiko für psychische Erkrankungen bergen. Eine Metaanalyse zeigt, dass bis zu 640 Stressfaktoren im Laufe der Karriere auf Sportler einwirken können, und dass vor allem Athleten, die verletzungsbedingt frühzeitig ihre Karriere beenden, anfälliger für psychische Symptome sind.
In vielen Fällen können die Folgen für die psychische Gesundheit auch nach dem Karriereende ernsthaft bestehen bleiben. Forschungsergebnisse belegen, dass sportliche Identitätskrisen, chronische Schmerzen und ungesunde Perfektionsansprüche das Risiko erhöhen, an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken. Die Prävalenz psychischer Probleme bleibt bei ehemaligen Athleten signifikant über der durchschnittlichen Rate in der Bevölkerung, solange die Ursachen nicht ausreichend adressiert werden.
Diese Entwicklungen müssen endlich in der Diskussion um die Ausbildung und Betreuung von Leistungssportlern Beachtung finden. Eine frühzeitige Thematisierung der Schwierigkeiten, die mit dem Ausscheiden aus dem Leistungssport verbunden sind, könnte ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Athleten sein.
Für Janas und viele andere Athletinnen ist das, was sie erlebt haben, mehr als nur ihre eigene Geschichte – es ist ein Aufruf zur Veränderung im deutschen Turnsport und zur Schaffung eines gesünderen, unterstützenderen Umfelds für künftige Generationen von Leistungssportlerinnen.
Diese Themen wurden umfassend von verschiedenen Medien behandelt. Der Tagesspiegel und t-online.de berichten über die schweren Vorwürfe, während die Zeitschrift Sportmedizin wertvolle Einblicke in die psychischen Folgen des Leistungssports bietet.