
In Istanbul wurden 55 Menschen festgenommen, weil sie beschuldigt werden, Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Familie beleidigt zu haben. Diese Festnahmen fanden im Kontext von Protesten gegen die Inhaftierung des Oppositionspolitikers Ekrem İmamoğlu statt, die auch die Aufmerksamkeit auf die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei lenken. Wie ln-online.de berichtet, nahmen die Proteste in den letzten Tagen zu, wobei zehntausende Menschen am sechsten Abend in Folge ihre Stimme gegen die Regierung erhoben.
Die Stimmung ist angespannt, da die Polizei während der Demonstrationen Tränengas einsetzte, um die Menschenmenge zu kontrollieren. Justizminister Ali Yerlikaya kommentierte die Situation und bezeichnete die Beleidigungen gegen den Präsidenten als „verabscheuungswürdigen Angriff“. Er stellte klar, dass solche Äußerungen nicht akzeptiert werden.
Proteste und politische Repression
Ekrem İmamoğlu, der von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) trotz seiner Haftzeit erneut als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde, sieht sich schwerwiegenden Vorwürfen gegenüber, die im Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorismusermittlungen stehen. Präsident Erdoğan bezeichnete die Demonstrationen als „Gewaltbewegung“ und kündigte an, dass die Opposition für ihre Aufrufe zur Mobilisierung zur Rechenschaft gezogen werde. Proteste in großen Städten wie Izmir, Ankara und Istanbul sind ohnehin oft untersagt, was die Situation weiter kompliziert.
Die Proteste haben die Brisanz der politischen Lage in der Türkei unterstrichen, die von einem starken Druck auf die Meinungsfreiheit geprägt ist. Kritische Stimmen, insbesondere aus der Journalistenbranche, werden häufig als „Terroristen“ oder „Landesverräter“ diffamiert. Die Türkei belegt derzeit Platz 151 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit, wie bpb.de anmerkt.
Historische Perspektive
Die gegenwärtige Lage ist nicht isoliert zu betrachten. Die Unterdrückung kritischer Stimmen hat in der Türkei eine lange Tradition, die vor allem seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 zugenommen hat. Seitdem wurden zahlreiche Journalisten verhaftet und 157 Medienorgane geschlossen. Die Erhöhung der maximalen Untersuchungshaftdauer von vier auf 30 Tage sowie die Möglichkeit, Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor einem Prozess zu verhängen, zeigen den repressiven Kurs der Regierung.
Die aktuellen Ereignisse werfen ein grelles Licht auf die massiven Repressionen, denen Journalisten ausgesetzt sind. Überfüllte Gefängnisse und ein umgestaltetes Justizsystem erschweren faire Prozesse. Prominente Autoren wie Aslı Erdoğan und Ahmet Şık sind nur einige der Namen, die in der jüngeren Vergangenheit inhaftiert wurden. Dies gibt Anlass zur Sorge über die Freiheit der Presse und die demokratischen Prinzipien in der Türkei.