
Die Erforschung der Neutrinos, jener mysteriösen Teilchen, die in der Kosmologie und Teilchenphysik eine zentrale Rolle spielen, hat einen neuen Meilenstein erreicht. Das Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment (KATRIN) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die höchste Obergrenze für die Neutrinomasse mittlerweile auf 0,45 Elektronenvolt (eV) gesetzt, was einem Gewicht von weniger als 8 x 10-37 Kilogramm entspricht. Diese bahnbrechenden Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht und stellen einen neuen Weltrekord in der Neutrino-Messung dar.
Die exakte Messung der Neutrinomasse ist entscheidend für das Verständnis fundamentaler Naturgesetze. Neutrinos sind elektrisch neutral und existieren in drei Formen: als Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos. Ihre Fähigkeit, während ihrer Reise zu oszillieren, stellt eine Herausforderung dar, da diese Eigenschaft darauf hinweist, dass sie Masse haben, was das Standardmodell der Teilchenphysik in Frage stellt, das ursprünglich annahm, dass Neutrinos massenlos sind.
Maßgeschneiderte Messmethoden und hochmoderne Technologien
Die KATRIN-Kollaboration, zu der auch Christian Weinheimer von der Universität Münster gehört, hat in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht. Durch die Verbesserung der Datensammlung und die Reduzierung systematischer Unsicherheiten konnte die Obergrenze für die Neutrinomasse fast um den Faktor zwei im Vergleich zu früheren Ergebnissen gesenkt werden. Der innovative Ansatz des Experiments beruht auf dem Beta-Zerfall von Tritium, dessen Messung es ermöglicht, die Masse der Neutrinos präzise zu bestimmen.
Um dies zu erreichen, analysiert KATRIN die Energieverteilung zwischen den entstehenden Elektronen und Antineutrinos während des Zerfalls eines Neutrons in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino. Über fünf Messkampagnen von 2019 bis 2021 wurden etwa 36 Millionen Elektronen über insgesamt 259 Tage erfasst, was die Datengrundlage auf das Sechsfache der vorherigen Experimente erhöhte.
Zukünftige Herausforderungen und Entwicklungen
Die Messungen zur Neutrinomasse werden bis Ende 2025 fortgesetzt, und das Team plant, ein neues Detektorsystem, das TRISTAN heißen wird, zu installieren. Dieses wird dazu dienen, nach hypothetischen sterilen Neutrinos zu suchen. Darüber hinaus wird das Forschungs- und Entwicklungsprogramm KATRIN++ ins Leben gerufen, um Konzepte für zukünftige Experimente zu entwickeln.
Die Ergebnisse und Fortschritte von KATRIN sind nicht nur für die Grundlagenforschung von Bedeutung, sondern könnten auch weitreichende Auswirkungen auf unsere Verständnis von Materie und Energie im Universum haben. Das Team, bestehend aus Wissenschaftlern von über 20 Institutionen aus sieben Ländern, zeigt, dass Neutrinos mindestens eine Million Mal leichter sind als Elektronen und somit eine zentrale Rolle bei der Aufklärung der Struktur des Universums spielen.
Die exakte Bestimmung der Neutrinomasse wird ein Schlüssel sein, um viele Fragen in der modernen Physik zu beantworten und könnte zu neuen Erkenntnissen über die grundlegenden Komponenten des Universums führen.