
Die Bundesärztekammer hat ihre Unterstützung für die Pläne von Union und SPD bekannt gegeben, ein „verbindliches Primärarztsystem“ zur Steuerung des Zugangs zu Fachärzten einzuführen. Dies geschieht in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen, wo der Zugang ineffizient und unstrukturiert ist. Ärztepräsident Klaus Reinhardt äußerte sich darüber in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ und verwies auf die Notwendigkeit einer effizienten Patientensteuerung, um sowohl knappe ärztliche Ressourcen zu nutzen als auch die Kosten zu senken.
Der Plan sieht vor, dass der Hausarzt als erste Anlaufstelle für Patienten fungiert und nur bei Bedarf an Fachärzte weiterleitet. Reinhardt kritisierte die gegenwärtige freie Arztwahl, die seiner Meinung nach unfair und finanziell nicht mehr tragbar ist. Bei der Neugestaltung des Gesundheitssystems betont die Arbeitsgruppe Gesundheit in den Koalitionsverhandlungen auch, dass Haus- und Kinderärzte von der Regelung der Überweisungspflicht ausgenommen werden sollen. Außerdem sind für Patienten mit chronischen Erkrankungen besondere Lösungen in Planung.
Ökonomische Auswirkungen des neuen Systems
Union und SPD erwarten Einsparungen von bis zu zwei Milliarden Euro bis zum Jahr 2028 durch die Einführung des Primärarztsystems. Reinhardt stellte klar, dass dies nicht die freie Arztwahl abschafft, sondern vielmehr die willkürliche Ansteuerung von Versorgungsebenen einschränkt. Patienten, die auf Behandlungen außerhalb dieser Wege bestehen, müssen sich voraussichtlich an den zusätzlichen Kosten beteiligen. Mögliche Optionen zur Kostenbeteiligung sind Selbstbeteiligungen oder gestaffelte Kassentarife.
Eine ungesteuerte Inanspruchnahme von Patientinnen und Patienten wird als ein erheblicher Kostentreiber im Gesundheitswesen betrachtet. Schätzungen zufolge könnten durch die Einführung eines funktionierenden Primärarztsystems Einsparungen von über 10 Prozent erzielt werden. Der Hausärzteverband Nordrhein hebt hervor, dass eine gezielte Patientensteuerung über einen zentralen Knotenpunkt nicht nur die Qualität der Versorgung verbessert, sondern auch Überdiagnostik und unnötige Doppelbehandlungen reduziert.
Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen
Der demografische Wandel führt zu einem steigenden Versorgungsbedarf, und der Fachkräftemangel – kombiniert mit einer sinkenden Gesundheitskompetenz der Bevölkerung – bringt das Finanzsystem unter Druck. Der 128. Deutsche Ärztetag hat sich in diesem Kontext intensiv mit der Steuerung von Patienten beschäftigt, um mehr Zeit für die ärztliche Arbeit zu schaffen und bürokratische Hürden abzubauen. Digitale Lösungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) sind entscheidend für eine effiziente Versorgung.
Ein Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt bereits, dass koordinierte Hausarztbesuche Hospitalisierungen um 9 % reduzieren konnten. Das Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Bereichen zu verbessern. Zu den Herausforderungen zählt auch die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit sowie die Vorbereitung auf steigende Anforderungen an das Gesundheitssystem. In diesem Rahmen forderte Dr. Kirsten Kappert-Gonther eine verbindlichere hausärztliche Versorgung.
Die Diskussion über eine sozial ausgewogene Versorgungssteuerung ist in vollem Gange und wird auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Der nächste Schritt wird ein weiterer Deutscher Ärztetag in Leipzig sein, auf dem über aktuelle Herausforderungen und Lösungen im Gesundheitswesen debattiert wird.
Insgesamt zeigt sich, dass eine umfassende Reform des deutschen Gesundheitssystems notwendig ist, um sowohl den finanziellen als auch den qualitativen Anforderungen gerecht zu werden. Die geplanten Änderungen könnten eine nachhaltig positive Wirkung auf die Patientenversorgung haben.
Zusammenfassend ist die Expertenmeinung klar: Ohne eine fundierte Steuerung des Zugangs und eine gezielte Patientenlenkung wird das Gesundheitssystem nicht auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels vorbereitet sein.