
Ein aktueller Fall in Winsen wirft Fragen zur Krankheitskultur bei großen Unternehmen auf. Ein Logistik-Mitarbeiter von Amazon hat in einem Zeitraum von drei Jahren insgesamt 243 Tage krank gefehlt. Die Kündigung des 36-jährigen Ex-Mitarbeiters, die zum 30. April 2023 wirksam wurde, wird nun vor dem Arbeitsgericht Lüneburg verhandelt. Der Mitarbeiter wehrt sich gegen die fristgerechte Kündigung und fordert eine Abfindung von 28.000 Euro, während Amazon bereit ist, 10.000 Euro zu zahlen.
Die Krankheitsgeschichte des Mitarbeiters umfasst dieses Jahr bereits 30 Tage. Im Jahr 2022 waren es 60 Tage, 2021 55 Tage und im Jahr 2020 sogar 128 Tage. Laut der Anwältin des Ex-Mitarbeiters ist eine Fußverletzung, die er sich bei der Arbeit zugezogen hat, der Hauptgrund für die hohen Fehlzeiten berichtete die MOPO.
Die Auswirkungen von Verletzungen und Stress
Ein zentraler Aspekt des Falls ist, dass der Mitarbeiter an einem Arbeitstag bis zu 12 Kilometer zurücklegen musste. Amazon weist jedoch die Verantwortung für die Verletzung zurück und argumentiert, dass Roboter die Strecken zurücklegen, was einer anderen Darstellung des Mitarbeiters entgegensteht. Diese Differenz führt zu einem erhöhten Risiko für beide Parteien in der anstehenden Gerichtsverhandlung.
Ein Blick auf die allgemeine Erkrankungssituation in Deutschland zeigt, dass Muskel- und Skelett-Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen Hauptursachen für Krankschreibungen sind. Laut dem aktuellen Fehlzeiten-Report der AOK haben psychische Erkrankungen in den letzten zehn Jahren um 47 Prozent zugenommen. Diese Zahl zeigt, wie wichtig es ist, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Die durchschnittliche Dauer eines Erkrankungsfalls aufgrund psychischer Erkrankungen beläuft sich auf 28,1 Tage.
Psychische Belastungen im Arbeitsalltag
Agierende Unternehmen sollten auch die Faktoren beachten, die zu einem Burn-out führen können. Die WHO hat 2019 einen aktualisierten Katalog veröffentlicht, der am 1. Januar 2022 in Kraft trat. Hierbei wird Burn-out als Syndrom beschrieben, das durch chronischen Stress am Arbeitsplatz gekennzeichnet ist, welcher nicht erfolgreich verarbeitet wird. Zu den häufigsten Einflussfaktoren gehören Arbeitsüberlastung, mangelnde Wertschätzung und eine unzureichende Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben weist die AOK hin.
In Anbetracht dieser Belastungen könnte man sich fragen, ob die Unternehmenspolitik von Amazon in dieser Hinsicht angepasst werden sollte. Sollte eine Einigung im Gütetermin erreicht werden, könnte die Krankenkasse Einblick in die Diagnoseliste des Mitarbeiters erhalten, was weitere Fragen zur Krankheitsbewertung aufwirft. Die reguläre Gerichtsverhandlung soll im August fortgesetzt werden, und das Urteil könnte weitreichende Folgen für den Mitarbeiter und Amazon haben.