
Die Debatte um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird in Deutschland zunehmend hitzig geführt. Zuletzt hat der CEO der Allianz, Oliver Bäte, eine kontroverse Idee vertreten: Die Wiedereinführung von Karenztagen für den ersten Krankheitstag. Bäte monierte, dass Deutschland zum „Weltmeister bei den Krankmeldungen“ geworden sei und forderte, dass Arbeitnehmer die Kosten für ihren ersten Krankheitstag selbst übernehmen sollen. Laut merkur.de geben Arbeitgeber in Deutschland jährlich rund 77 Milliarden Euro für die Gehälter kranker Mitarbeiter aus. Zusätzlich übernehmen die Krankenkassen noch einmal 19 Milliarden Euro, was zusammen etwa 6 % der gesamten Sozialausgaben des Landes entspricht. Zum Vergleich liegt der EU-Durchschnitt bei nur 3,5 %.
Derzeit greift in Deutschland eine Regelung, die eine Lohnfortzahlung ab dem ersten Tag der Erkrankung vorsieht. Arbeitgeber müssen dann für maximal sechs Wochen, also 42 Kalendertage, den vollen Lohn zahlen, unabhängig von der Art des Arbeitsverhältnisses. Der Vorschlag, Karenztage wieder einzuführen, ist nicht neu: Bereits Monika Schnitzer, die Chefin der Wirtschaftsweisen, hatte im Dezember 2024 angeregt, diese Option zu prüfen. Bereits in den 1970er Jahren wurden Karenztage abgeschafft, eine mögliche Rückkehr wird jedoch kontrovers diskutiert.
Aktuelle Krankheitsstatistiken
Die Zahl der Krankmeldungen in Deutschland nimmt seit längerem zu. So zeigen die Daten, dass 2024 ein Rekordhoch von durchschnittlich 17,7 Krankheitstagen pro Arbeitnehmer von Januar bis November erreicht wurde. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 waren es 17,4 Tage und im Jahr 2021 nur 13,2 Tage. Vor der Corona-Pandemie lag der Durchschnitt bei 14,1 Tagen. Diese Entwicklung steht im Kontext eines allgemeinen Anstiegs des Krankenstandes, der im Jahr 2023 insgesamt 15,1 Tage betrug, was einem Anstieg von 4,0 Tagen im Vergleich zu 2021 entspricht. Anlass für diesen Anstieg könnten unter anderem häufige Grippe- und Erkältungswellen sein, wie destatis.de berichtet.
Die Erhebung des Krankenstandes umfasst lediglich Meldungen mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als drei Tagen. Im Jahr 2023 lag der Anteil der krank gemeldeten Arbeitnehmer bei 6,1 %. Zum Vergleich lag dieser Anteil 1991 noch bei 5,1 % und 2006 bei 3,3 %. Diese Zahlen zeigen eine Kontinuität in der Entwicklung und verdeutlichen, dass die Problematik der hohen Krankmeldungen nicht neu ist.
Finanzielle Belastungen durch Krankmeldungen
Die finanziellen Auswirkungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind erheblich. Laut einer Untersuchung, die die Ausgaben der Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlungen von 2010 bis 2023 dokumentiert, lassen sich signifikante Trends ablesen. Im Jahr 2024 betrugen diese Ausgaben 77 Milliarden Euro. Diese Zahl verdeutlicht die hohe finanzielle Belastung für Arbeitgeber und könnte ein weiterer Grund sein, die aktuelle Regelung der Lohnfortzahlung zu überdenken. Daten zu diesen Ausgaben finden sich auf Statista.
Die Diskussion um die Wiedereinführung von Karenztagen könnte weitreichende Folgen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland haben, nicht zuletzt angesichts der sich steigernden Krankheitszeiten. Ob dieser Schritt wirklich die Lösung für die hohen Ausgaben ist, bleibt abzuwarten, ist jedoch bereits jetzt ein wichtiges Thema in der politischen und gesellschaftlichen Debatte.