
In einem kontroversen Vorschlag hat Allianz-Chef Oliver Bäte kürzlich empfohlen, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag abzuschaffen. Stattdessen möchte er die Einführung eines sogenannten Karenztags etablieren, an dem Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen müssten. Der Grund für diese Forderung ist die hohe Zahl an Krankmeldungen in Deutschland, die als finanzielles Problem für Arbeitgeber wahrgenommen wird. Laut ZVW beziehen sich die Vorschläge von Bäte auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die einen Durchschnitt von 15,1 krankheitsbedingten Fehltagen pro Arbeitnehmer im Jahr 2023 zeigen.
Die DAK-Gesundheit gibt an, dass mehr als die Hälfte der Versicherten im Jahr 2023 mindestens einmal krankgeschrieben war, mit einem Durchschnitt von 20 Fehltagen pro Kopf. Diese hohen Werte stehen in scharfem Kontrast zum europäischen Durchschnitt, der laut Berichten lediglich acht Krankheitstage pro Jahr beträgt. Arbeitgeber müssen momentan ab dem ersten Krankheitstag den vollen Lohn weiterzahlen, was die potenziellen Einsparungen durch die noch nicht ausgezahlten Löhne stark machen könnte.
Ein Umdenken im Krankheitsmanagement
Bäte argumentiert, dass durch die Einführung von Karenztagen die Kosten für den ersten Krankheitstag auf die Arbeitnehmer verlagert werden könnten. Nur bei Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung würde dann Lohn für diesen Tag gezahlt. Er schätzt, dass die Abschaffung der Lohnfortzahlung für nicht ärztlich nachgewiesene Krankmeldungen Unternehmen jährlich bis zu 77 Milliarden Euro einsparen könnte. Zudem könnte die Gesetzesänderung auch den Krankenkassen 19 Milliarden Euro einsparen, was insgesamt rund 6 Prozent der gesamten Sozialausgaben in Deutschland entspricht, verglichen mit lediglich 3,5 Prozent im EU-Durchschnitt.
Das Thema der Krankentage ist ein zentrales Anliegen in Europa. Länder wie Frankreich, Luxemburg und das Vereinigte Königreich haben unterschiedliche Regelungen bezüglich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, was sich auf die Höhe des Krankengeldes auswirkt. In Frankreich beispielsweise beträgt das Krankengeld normalerweise 50 % des Referenzlohns, in Luxemburg erhalten Arbeitnehmer für eine Zeitspanne von bis zu 77 Krankentagen 100 % des Gehalts. Schweden gewährt 80 % des Gehalts für bis zu 364 Tage, während in Deutschland Arbeitnehmer bis zu sechs Wochen volles Gehalt erhalten und danach 70 % für bis zu 78 Wochen innerhalb von drei Jahren.
Der europäische Vergleich
Das Wohl und die Gesundheit der Arbeitnehmer müssen in den Vordergrund gerückt werden, aber auch das finanzielle Gleichgewicht der Arbeitgeber ist von Bedeutung. Ein Vergleich der Krankentage zeigt, dass Deutschland im internationalen Kontext hohen Belastungen ausgesetzt ist. Die verschiedenen Ansätze anderer europäischer Länder, die sich in den Krankengeldleistungen stark unterscheiden, könnten der deutschen Diskussion neue Impulse geben. Während die Reformen von Bäte viele als notwendig erachten, warnen Kritiker vor einer möglichen Verschärfung der Situation für Arbeitnehmer.