
Die Luftqualität ist ein zentrales Thema in der öffentlichen Gesundheit und Umweltpolitik. Jährlich sterben weltweit mehr als 4,5 Millionen Menschen aufgrund von Luftverschmutzung, wie ein Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) belegt. Die gesundheitlichen Risiken, die durch Luftverunreinigungen entstehen, können nicht ignoriert werden, da sie tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Millionen haben. Zu den Hauptverursachern dieser Verschmutzung zählt Feinstaub, der aus kleinen, mit bloßem Auge nicht sichtbaren Partikeln besteht und in der Lage ist, bis in die tiefsten Lungenbläschen vorzudringen.
Feinstaub wird in zwei Hauptkategorien unterteilt: Primärer Feinstaub, der direkt an der Quelle freigesetzt wird, beispielsweise durch Verkehr und Industrie, und sekundärer Feinstaub, der aus gasförmigen Vorläufersubstanzen wie Stickoxiden und Ammoniak entsteht. Natürliche Quellen, wie Vulkanausbrüche oder Waldbrände, tragen ebenfalls zur Feinstaubbelastung bei, und der Klimawandel verstärkt dieses Problem zusätzlich. Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) führte die erhöhte Konzentration von PM2,5-Feinstaub in der EU im Jahr 2020 zu mindestens 238.000 vorzeitigen Todesfällen.
Neue WHO-Richtlinien
Im Jahr 2021 gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach über 15 Jahren aktualisierte Richtlinien zur Luftqualität bekannt. Die empfohlenen Werte für Feinstaub (PM2,5) wurden von 10 auf 5 Mikrogramm pro Kubikmeter gesenkt. Für PM10 wurde der Wert von 20 auf 15 Mikrogramm pro Kubikmeter angepasst. Diese neuen Leitlinien sollen als Anhaltspunkt für die Luftreinhaltepolitik dienen, sind jedoch rechtlich nicht verbindlich. Tatsächlich liegen die aktuellen EU-Grenzwerte für PM2,5 und PM10 über den neuen WHO-Empfehlungen, mit 25 Mikrogramm resp. 40 Mikrogramm.
Die WHO schätzt, dass Luftverschmutzung insgesamt für etwa 12% aller globalen Todesfälle verantwortlich ist. Zudem wurden in Europa schätzungsweise 417.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr und in Deutschland über 70.000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung verzeichnet. Dies macht die Aktualisierung der Richtlinien umso dringlicher, insbesondere angesichts der Tatsache, dass über 80% der Messstationen in Deutschland 2020 eine Überschreitung der neuen WHO-Werte für Stickstoffdioxid aufwiesen, wobei Dieselfahrzeuge als Hauptquelle identifiziert wurden.
Gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen
Die gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung sind nicht unerheblich. Sie tragen zu einer Vielzahl von Krankheiten bei, darunter Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Atemwegserkrankungen. Die gesundheitlichen Probleme manifestieren sich häufig als erhöhte Inzidenz von Asthma, COPD, Diabetes und sogar Lungenkrebs. Ein Rückgang der Feinstaubbelastung könnte weitreichende positive Effekte auf die öffentliche Gesundheit haben. Studien belegen, dass der Nutzen von Maßnahmen zur Luftreinhaltung die damit verbundenen Kosten erheblich übersteigt. In den USA beispielsweise wird der wirtschaftliche Nutzen des Clean Air Act auf das 30-fache seiner Kosten geschätzt.
Deutschland hat bereits erste Schritte zur Reduzierung der Feinstaubbelastung unternommen, jedoch warnen Experten wie der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, dass die bisherigen Maßnahmen unzureichend sind. Politische Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen fordern eine konsequentere Umsetzung der neuen Richtlinien. Die Dringlichkeit der Thematik wird durch die Verschlechterung der Luftqualität in vielen Städten im Land unterstützt. So verzeichnet etwa Kiel die sauberste Luft mit lediglich 6,2 Mikrogramm PM2,5 pro Kubikmeter, wohingegen Gelsenkirchen an der anderen extremen Spitze mit 11,5 Mikrogramm steht.
Um die Luftqualität zu verbessern, sind umfassende Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Dazu zählen unter anderem die Förderung alternativer Verkehrsmittel, wie Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel, sowie ärztliche Aufklärung zu den gesundheitlichen Risiken von Fleischkonsum, da dieser zur Ammoniakemission beiträgt. Weitere Schritte sind die Vermeidung von privatem Silvesterfeuerwerk und der Einsatz emissionsarmer Heizungen.
Insgesamt zeigt die aktuelle Situation, dass eine nationale und europäische Strategie zur Luftreinhaltung dringend notwendig ist, um sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Die neuen WHO-Richtlinien sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung und könnten langfristig zu einer spürbaren Verbesserung der Luftqualität führen.