
Die psychische Gesundheit geflüchteter Menschen ist ein drängendes Thema in Deutschland. Experten kritisieren zunehmend die unzureichende Betreuung von Geflüchteten mit psychischen Störungen. Eine Umfrage in der Gemeinde Odenthal zeigt, dass von circa 570 Geflüchteten etwa ein Viertel psychische Probleme hat. Claudia Kruse, die Integrationsbeauftragte der Gemeinde, weist darauf hin, dass akute Hilfe und Therapie für psychisch kranke Geflüchtete nur schwer zu bekommen sind. Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen betragen häufig mehrere Monate.
Aktuelle Zahlen belegen, dass etwa 30 Prozent der Geflüchteten in Deutschland psychisch krank sind. Professor Frank Neuner diagnostizierte in seiner Studie psychische Störungen bei etwa 40 Prozent der befragten Geflüchteten. Dies steht im Vergleich zu einem Anteil von 25 Prozent psychisch Kranker in der Gesamtbevölkerung.
Dringender Versorgungsbedarf
Die Lage wird durch die Tatsache verschärft, dass nicht alle Geflüchteten Anspruch auf Kassenleistungen haben. Asylbewerber haben nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen, wie das Asylbewerberleistungsgesetz festlegt, das lediglich eine Akutversorgung vorsieht. Besonders gravierend ist, dass die Wartezeit für Kassenleistungen von 18 auf 36 Monate erhöht wurde. Erik Leidgens, Vorstand der BAfF, warnt, dass psychosoziale Zentren überlastet und unterfinanziert sind; in Bochum etwa müssen mindestens ein Drittel der Anfragen nach Hilfe abgelehnt werden.
Laut einer Analyse des Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) erhalten geflüchtete Menschen in den ersten 18 Monaten nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen, die psychotherapeutische Behandlungen nicht abdecken. Nach Ablauf dieser Frist wird der Zugang zu erweiterten Gesundheitsleistungen gewährt, jedoch bleibt der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung schwierig. Sprachbarrieren sind ein erhebliches Hindernis, da die Kosten für Sprachmittlung von gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden.
Notwendigkeit von Fachkräften
Ein weiterer Punkt, auf den Claudia Kruse hinweist, ist die mangelnde Ausbildung von Fachkräften im Erkennen psychischer Erkrankungen. Ein Mangel an strukturierten Screenings zur Erfassung der psychischen Verfassung von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsheimen verstärkt das Problem. Frank Neuner schlägt vor, durch Fortbildungen und standardisierte Fragebögen eine bessere Erkennung und Behandlungsqualität zu schaffen. Des Weiteren wird der Bedarf an Dolmetschern hervorgehoben, um Sprachbarrieren abzubauen und den Zugang zu notwendigen psychotherapeutischen Behandlungen zu erleichtern.
Eine Studie zeigt, dass weltweit 103 Millionen Menschen auf der Flucht sind, wobei 42 Prozent davon Kinder und Jugendliche sind. In Deutschland waren bis Ende Dezember 2022 über eine Million Menschen wegen des Ukraine-Konflikts geflohen. Es ist bekannt, dass 30 bis 50 Prozent der geflüchteten Menschen an Traumafolgestörungen leiden. Um dies zu beheben, ist eine frühzeitige psychotherapeutische Behandlung wichtig, um die Integration zu fördern und chronischen psychischen Erkrankungen vorzubeugen.
Um die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland zu verbessern, wurde an der Universität Witten/Herdecke ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Dieses soll eine Koordinierungsstelle sowie ein Netzwerk von Psychotherapeuten aufbauen, um rechtzeitig Hilfe für geflüchtete Menschen zu ermöglichen.
Die Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheit geflüchteter Menschen sind gravierend. Es braucht dringend Maßnahmen, um die strukturellen und fachlichen Defizite zu beheben. Nur so kann sichergestellt werden, dass die betroffenen Menschen die Unterstützung erhalten, die sie dringend benötigen. Die Notwendigkeit eines flächendeckenden und barrierefreien Zugangs zu psychotherapeutischen Dienstleistungen ist offensichtlich und erfordert eine umfassende gesellschaftliche sowie politische Reaktion.
Für weitere Informationen zu diesem Thema können Sie die Berichte von Tagesschau, BzgA und BzgA zur psychotherapeutischen Behandlung besuchen.