
In Deutschland kämpfen Kassenpatienten oft monatelang um Arzttermine, insbesondere in ländlichen Gebieten. Sarah Kiene, eine 26-Jährige aus dem Zollernalbkreis, leidet an Morbus Behçet, einer chronischen Erkrankung, die das Immunsystem angreift. Sie benötigte ein ganzes Jahr, um einen behandelnden Rheumatologen zu finden, da in ihrer Region kein entsprechender Arzt für Kassenpatienten zur Verfügung stand. Kiene, die seit etwa drei Jahren nach einer COVID-19-Infektion unter Fieber, Gelenkschmerzen und Hautausschlägen leidet, musste schließlich in die 300 Kilometer entfernte Stadt Erlangen reisen, um regelmäßige Behandlungen zu erhalten. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg erklärte, dass die Bedarfsplanung seit 1993 keine Unterscheidung zwischen Internisten und Rheumatologen vornimmt. Dies hat die Versorgung in vielen Bereichen verschärft, speziell in ländlichen Gebieten, wo es an Fachärzten mangelt.
Diese Problematik wird von vielen Patienten bestätigt. Beate Kullmer und ihr Mann, beide 72 Jahre alt, finden keinen Hausarzt in Bad Rappenau – trotz ihrer privaten Krankenversicherung. Judith Benner, ebenfalls besorgt über die abnehmenden medizinischen Angebote, hebt hervor, dass ältere Menschen in ländlichen Regionen besonders von der geringen Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen betroffen sind. Dr. Peter Wolf, ein Hautarzt aus Mosbach, hat seine Kassenzulassung zurückgegeben und bietet nur noch Behandlungen für Selbstzahler an. Der Ärztemangel ist besonders drängend: Fast 1.000 Hausarztstellen in Baden-Württemberg sind unbesetzt, während die Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte im Jahr 2023 nur um 1,3 % zunahm.
Ursachen des Ärztemangels
Der Ärztemangel auf dem Land hat verschiedene Ursachen. Besonders schwach ist die Versorgung in ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie in Niedersachsen. In ländlichen Regionen sind die Arbeitsbedingungen oft weniger attraktiv als in städtischen Gebieten. Gleichzeitig finden immer mehr Ärzte in Teilzeitbeschäftigungen nicht die nötige Anzahl an Kollegen, um eine umfassende Versorgung aufrechtzuerhalten. Die hohe Kostenlast für die Gründung und Ausstattung von Arztpraxen in ländlichen Gebieten verschärft die Situation zusätzlich. Zudem gehen viele ältere Ärzte in den Ruhestand, während die Zahl der Medizinstudenten stagniert. Schätzungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) prognostizieren bis zum Jahr 2040 einen Mangel von 30.000 bis 50.000 Ärzten.
Die demografische Entwicklung spielt dabei eine essenzielle Rolle. Über 97.000 der berufstätigen Ärzte sind älter als 60 Jahre. In vielen ländlichen Regionen macht sich der Generationswechsel besonders schmerzhaft bemerkbar, da junge Ärzte oft in städtische Gebiete ziehen. Dies erfordert dringende Maßnahmen von der Politik und den Kommunen, um attraktive Arbeitsbedingungen für Mediziner zu schaffen. Einige Ansätze beinhalten finanzielle Anreize, wie Stipendien oder Investitionskostenzuschüsse, sowie die Förderung der Telemedizin.
Innovative Lösungsansätze
Um die medizinische und pflegerische Versorgung in ländlichen Regionen zu verbessern, sind innovative Ansätze gefragt. Kooperationen zwischen Haus- und Fachärzten sowie telemedizinische Verbindungen werden als vielversprechend erachtet. Eine zusätzliche Herausforderung besteht darin, dass die Bevölkerung in ländlichen Gebieten oft weniger Gesundheitsversorgungseinrichtungen hat. Der Mangel an spezialisierten medizinischen Angeboten verschärft dies weiter, besonders bei älteren und multimorbiden Patienten. Es wird immer offensichtlicher, dass die Erreichbarkeit von Gesundheitsdiensten entscheidend ist, um die Grund- und Regelversorgung sicherzustellen.
Die medizinische und pflegerische Versorgung ist ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Die Bevölkerung erwartet qualitativ hochwertige Gesundheitsdienstleistungen unabhängig vom Wohnort. Die bislang unzureichende Versorgung in ländlichen Regionen erfordert einen gemeinsamen Effort aller Beteiligten, um die Gesundheitslandschaft nachhaltig zu verbessern. Innovative Versorgungsmodelle und eine positive Zusammenarbeit zwischen stationären und ambulanten Sektoren sind unerlässlich, um den Herausforderungen des Ärztemangels und der sich wandelnden Demografie gerecht zu werden.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Ärztemangel in Deutschland, besonders im ländlichen Raum, alarmierende Dimensionen erreicht hat. Die Politik sowie die medizinischen Verbände sind nun gefragt, grundlegende Veränderungen herbeizuführen, um die flächendeckende Gesundheitsversorgung zu sichern und die Lebensqualität der Menschen auf dem Land zu verbessern. Auf diese Weise kann langfristig gewährleistet werden, dass die Gesundheitsversorgung für alle zugänglich bleibt.
Diese Herausforderungen wurden auch von der SWR und Pacura Doc thematisiert, die beide einen dringenden Handlungsbedarf in der Versorgung zeigen. Es ist klar, dass innovative Ansätze, wie sie von der bpb beschrieben werden, dringend erforderlich sind, um die Situation nachhaltig zu verbessern.