
In Deutschland hat sich ein bemerkenswerter demografischer Wandel vollzogen: Erstmals in der Geschichte des Landes übersteigt der Anteil der konfessionslosen Menschen den der Katholiken und Protestanten. Dies geht aus Daten der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) hervor. Demnach sind etwa 39 Millionen Menschen in Deutschland konfessionslos, was etwa 47 Prozent der Bevölkerung entspricht. Im Vergleich dazu sind rund 38 Millionen Menschen Mitglieder einer der beiden großen Kirchen, den römisch-katholischen und evangelischen Kirchen, was zusammen einen Anteil von etwa 45 Prozent ausmacht. Diese Entwicklung ist besonders eindrucksvoll, wenn man bedenkt, dass der Anteil der konfessionsfreien Bevölkerungsgruppe im Jahr 1990 noch bei 22 Prozent lag.
Besonders auffällig ist der Rückgang der Mitgliederzahlen in den großen Kirchen. Ende 2024 reported fowid, dass die Zahl der Katholiken unter 20 Millionen fiel und nur noch 19,8 Millionen beträgt. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 24 Prozent. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verzeichnete 2024 ebenfalls einen Rückgang auf rund 18 Millionen Mitglieder, was etwa 21 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Diese Einbußen resultieren aus einer Vielzahl von Austritten und Todesfällen, insgesamt verlor die Kirche im vergangenen Jahr über eine Million Mitglieder.
Ein Blick auf die Religionsgemeinschaften
Die Mehrheit der Bevölkerung ist statistisch noch religiös zugehörig, jedoch zeigt eine tiefere Analyse ein anderes Bild. Nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung sind als religiös aktiv zu betrachten. Der Rückgang ist besonders unter den jüngeren Menschen ausgeprägt; nur 7 Prozent der 18- bis 29-Jährigen halten die Kirche für wichtig, während 41 Prozent der über 89-Jährigen dies tun. Genauso wird das Leben im Kontext der Kirche von 77 Prozent der Bevölkerung als „unwichtig“ eingestuft.
In Deutschland leben auch etwa 3,3 Millionen konfessionsgebundene Muslime, was vier Prozent der Bevölkerung entspricht. Weitere Religionsgemeinschaften, einschließlich der Orthodoxen, Freikirchler, Zeugen Jehovas, Aleviten, Buddhisten, Hindus, Jesiden und Juden, machen zusammen etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist bemerkenswert, dass die Anzahl der praktizierenden Gläubigen kontinuierlich zurückgeht: Während nur 5 von 100 Menschen regelmäßig einen Gottesdienst besuchen, liegt der Anteil der Gottesdienstbesucher unter Katholiken bei 6,2 Prozent und unter Evangelischen bei 2,3 Prozent.
Zukunftsausblick und Prognosen
Experten wie Carsten Frerk von fowid spüren einen Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Religiosität. Er prognostiziert, dass die konfessionslosen Menschen in diesem Jahrzehnt die absolute Mehrheit in Deutschland erreichen könnten. Die „6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung“ von 2024 zeigt zudem, dass 56 Prozent der Bevölkerung als „säkular“ gelten und religiöse Angebote ablehnen. Dies verdeutlicht den tiefgreifenden Wandel der religiösen Landschaft Deutschlands.
Diese Veränderungen werfen auch größere Fragen auf: Angesichts eines signifikanten Rückgangs der Kirchenmitgliedschaft und der politischen Ambivalenz zu religiösen Themen ist die Bedeutung der Säkularität in einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft von immenser Bedeutung. Die Giordano-Bruno-Stiftung und fowid warnen zudem vor dem Aufstieg religiös-nationalistischer Ideologien in anderen Teilen der Welt und betonen die Wichtigkeit individueller Rechte und einer klaren Trennung zwischen Kirche und Staat in Europa.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kirchliche Landschaft in Deutschland einem tiefgreifenden Wandel unterliegt. Die steigende Zahl der konfessionsfreien Menschen und der allgemeine Rückgang der Religiosität geben Anlass zur Diskussion über die Rolle von Religion in der modernen Gesellschaft.