
Der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, steht unter schwerem Verdacht: Ein türkisches Gericht hat Untersuchungshaft für ihn angeordnet, nachdem die Istanbuler Staatsanwaltschaft entsprechende Maßnahmen gefordert hatte. İmamoğlu wird in zwei Verfahren wegen Terrorismus- und Korruptionsvorwürfen angeklagt, die zahlreiche Anschuldigungen umfassen. Diese erstrecken sich von der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung über Erpressung und Bestechung bis hin zu Manipulationen bei Ausschreibungen. Im Rahmen der Terrorermittlungen wird ihm zudem vorgeworfen, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Trotz dieser Vorwürfe weist İmamoğlu alle Anschuldigungen vehement zurück und hat seine Anhänger über die Plattform X aufgerufen, gegen die Vorwürfe aktiv zu werden.
İmamoğlus Festnahme ereignete sich unmittelbar vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) und ignitiert landesweite Proteste. Diese fanden in mehreren Städten statt, darunter Istanbul, Ankara und Izmir. Während der Demonstrationen, die von der CHP mit geschätzten 300.000 Teilnehmern in Istanbul organisiert wurden, setzte die Polizei Pfefferspray ein und nahm rund 343 Menschen fest, um „Störungen der öffentlichen Ordnung“ zu verhindernde. Präsident Recep Tayyip Erdoğan warnte die Anhänger İmamoğlus vor weiteren Kundgebungen und bezeichnete diese als „Straßenterror“.
Politische Dimension der Festnahme
Die Festnahme İmamoğlus wird von der CHP als politisch motivierter Angriff auf die Opposition gewertet. Der Vorsitzende der CHP, Özgür Özel, sprach von einem „zivilen Putsch“. Der Hintergrund der Terrorermittlungen liegt unter anderem in einer Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen Demokratischen Partei (Dem-Partei) bei Kommunalwahlen. İmamoğlu genießt nicht nur in Istanbul großen Rückhalt, sondern wird auch als ernstzunehmender Herausforderer Erdoğans für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2028 betrachtet.
Obwohl die Korruptionsermittlungen sich auf insgesamt 106 Personen erstrecken, ist İmamoğlu der einzige Kandidat für die Nominierung der CHP. Im Jahr 2019 gewann er die Wahl in Istanbul und führte die CHP zum Sieg, was als herbe Niederlage für die AKP und Erdoğan galt. Seine Wiederwahl 2024 festigt seine Bedeutung in der türkischen Politik, wo Korruption und Menschenrechtsfragen zunehmend in den Fokus rücken.
Übergreifende Menschenrechtslage
Die Drucksituation auf politische Gegner und die Einschränkung von Menschenrechten in der Türkei haben sich seit dem gescheiterten Putsch im Jahr 2016 weiter verschärft. Kritiker der Regierung sehen in den jüngsten Entwicklungen nicht nur eine Abwehrhaltung der AKP, sondern auch einen Versuch, die politische Landschaft der Türkei durch Strafverfolgung zu kontrollieren. Angesichts von İmamoğlus Festnahme erscheint das Bild einer immer repressive werdenden politischen Realität deutlicher denn je. Die Medienaufsicht in der Türkei drohte Medien mit Strafen und dem Entzug von Lizenzen, falls sie sich zu „unwahrheiten“ im Bericht über die Festnahme äußern sollten, was die Meinungsfreiheit zusätzlich unter Druck setzt.
Die Entwicklungen um İmamoğlu und die damit verbundenen Proteste werfen ein Schlaglicht auf die gegenwärtige politische Lage in der Türkei, in der die Auseinandersetzungen um Macht, Korruption und Menschenrechte unvermindert weitergehen.