
Die politischen Spannungen in der Türkei steigen nach der Festnahme von Bürgermeister Ekrem Imamoglu, einem prominenten Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Taksim-Platz in Istanbul, ein Symbol des Protests, ist mit Polizeigittern abgeriegelt. Hunderte von Polizisten, viele in Kampfmontur und bewaffnet, sichern die Barrikaden, da die Regierung einen möglichen Aufstand befürchtet. Die Opposition, namentlich die Republikanische Volkspartei (CHP), hofft auf massenhafte Proteste am kommenden Sonntag.
Die Festnahme von Imamoglu, der aufgrund von Korruptionsvorwürfen und der angeblichen Unterstützung einer terroristischen Gruppe als „Verdächtiger einer kriminellen Organisation“ eingestuft wurde, hat landesweit Empörung ausgelöst. Viele Passanten halten die Vorwürfe für unglaubwürdig. Bei der letzten Bürgermeisterwahl erhielt Imamoglu mehr als die Hälfte der Wählerstimmen in Istanbul, was seine Popularität unterstreicht. Politikwissenschaftler Berk Esen kommentiert, dass Erdogans rigide Maßnahmen auf eine angespannte Stimmung innerhalb der Regierung hindeuten.
Proteste und Repressionen
In den letzten Tagen haben zahlreiche Proteste in verschiedenen Teilen Istanbuls stattgefunden, darunter auch an Universitäten und in U-Bahn-Stationen. Demonstranten rufen anti-regierungsfreundliche Slogans und fordern den Rücktritt Erdogans. Berichten zufolge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden, wobei die Polizei Tränengas einsetzte, um die Menschenmengen zu zerstreuen.
Die Istanbul-Behörden haben für vier Tage öffentliche Versammlungen und Proteste untersagt, was die Versuche der Opposition, ihre Stimmen zu erheben, weiter einschränkt. Rund 100 Personen, darunter Politiker, Journalisten und Geschäftsleute, wurden festgenommen, während die Proteste zunahmen. Mehr als 37 Menschen wurden allein wegen regierungskritischer Äußerungen inhaftiert. Die von der Rundfunkaufsicht verhängten Strafen gegen Fernsehsender, die Imamoglus Erklärungen ausstrahlten, zeigen, wie die Regierung versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Reaktionen und Ausblick
Imamoglu selbst meldete sich aus der Polizeihaft und warf der Regierung einen Angriff auf die Demokratie vor. In einem Video versprach er, „standhaft für Gerechtigkeit und Demokratie“ zu kämpfen, während er in einem handgeschriebenen Notiz auf die „Lügen, Verschwörungen und Fallen“ hinwies, die gegen ihn in Stellung gebracht worden seien. International hat die Reaktion auf seine Festnahme negative Wellen geschlagen; EU- und deutsche Politiker haben die Regierung für ihren Umgang mit der Opposition kritisiert.
Die anhaltende Repression und die festgestellten Einschränkungen der Grundrechte werfen Fragen zur politischen Zukunft der Türkei auf. Erdogans seit 22 Jahren anhaltende Herrschaft wird zunehmend in Frage gestellt, während Imamoglu sich auf die Präsidentschaftswahlen 2028 vorbereitet – sollte er bis dahin politisch in der Lage sein, zu kandidieren. Denn seine immer wiederkehrenden rechtlichen Probleme, einschließlich der Annullierung seines Universitätsabschlusses, haben seine politische Zukunft stark gefährdet, was er selbst als „rechtlich unbegründet“ bezeichnete.
Die Zukunft der politischen Landschaft der Türkei hängt nun von der Reaktion der Bevölkerung ab. Während einige fürchten, dass die Repression weiter zunimmt, hofft die Opposition in Anbetracht der Ereignisse und der zunehmenden Unzufriedenheit auf eine Wende in der öffentlichen Wahrnehmung und Mobilisierung.