
Am Verwaltungsgericht Berlin wird am Donnerstag die Klage eines 21-jährigen Mannes gegen die Berliner Polizei verhandelt. Der Kläger, der am 20. April 2023 an einem Protestmarsch der Gruppe „Letzte Generation“ teilnahm, wirft der Polizei vor, ihm „gezielt und unnötig“ Schmerzen zugefügt zu haben. Dies geschah während der gewaltsamen Auflösung einer friedlichen Demonstration, bei der die Teilnehmer sich auf den Boden setzten.
In der Klage geht es konkret um den Einsatz eines Schmerzgriffs durch einen Polizeibeamten. Der Kläger berichtet, dass ihm gedroht wurde, er könne „tagelang nicht kauen und schlucken“, falls er sich nicht freiwillig erhob. Die Anwendung dieser Technik, eine Methode aus dem Kampfsport, führt durch Druck auf schmerzempfindliche Körperstellen zu akuten Schmerzen, um Personen zur Befolgung der polizeilichen Anweisungen zu bewegen. Laut dem Kläger verstößt der Einsatz dieser Schmerzgriffe gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie das Folterverbot der UN-Antifolterkonvention. Das Ziel seiner Klage ist es, den strukturellen Einsatz von Schmerzgriffen zu verbieten und diese als Folter einzustufen. [rbb24] berichtet, dass das Urteil noch am selben Tag erwartet wird.
Rechtsrahmen und Verhältnismäßigkeit
Die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von Schmerzgriffen sind bislang nicht gerichtlich geklärt. Es gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der besagt, dass polizeiliches Handeln immer einem legitimen Zweck dienen und das mildeste Mittel gewählt werden muss. Bei Demonstrationen sollte, sofern möglich, Gewalt vermieden werden. Der Einsatz von Schmerzgriffen ist in vielen Fällen unverhältnismäßig, wo auch weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Dies sei auch im konkreten Fall des Klägers zu bejahen, da ein einfaches Wegtragen ausreichend gewesen wäre. Diese Situation führt zur Debatte über die Wahrung der Versammlungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, welche beides durch den Einsatz solcher Maßnahmen gefährdet wird. [freiheitsrechte.org] hebt hervor, dass Schmerzgriffe nicht immer angewendet werden, jedoch mit zunehmender Häufigkeit, insbesondere bei Aktionen der „Letzten Generation“.
In Deutschland zeigt eine aktuelle Einschätzung von Amnesty International, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt wird. Es werden praktische Beispiele wie Präventivhaft sowie repressive Gesetzgebung angeführt, die dem Ziel dienen, Proteste zu kriminalisieren. Diese Wahrnehmung von Protesten als Bedrohung wird von Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit, als problematisch erachtet. Sie sieht in der gegenwärtigen Situation eine Gefährdung grundlegender Menschenrechte.
Übersicht über die Protestkultur in Deutschland
Zusätzliche Probleme kommen durch Maßnahmen wie die präventive Inhaftierung von Klimaaktivisten hinzu, die in Bayern lebhaft diskutiert wird. Hier wurden seit Oktober 2022 Dutzende von Aktivisten für bis zu 30 Tage in Gewahrsam genommen. Diese Praxis steht in direktem Widerspruch zu einem fairen Verfahren und wird als Menschenrechtsverletzung wahrgenommen. Möglichst viele Proteste, einschließlich bedeutender Gedenktage wie dem Nakba-Gedenktag im Mai 2023, wurden in Berliner Stadtgebieten untersagt, was Amnesty International als unverhältnismäßig kritisiert hat.
Gestützt durch diese Informationen zielt die Klage des Klägers nicht nur auf eine individuelle Entschädigung, sondern auch darauf, grundlegende Standards für den Umgang der Polizei mit Protestierenden und die Grenzen der Gewaltanwendung festzulegen. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht in Berlin über diese zentrale Frage der Versammlungsfreiheit entscheiden wird.