
Im aktuellen Diskurs über die Bildungspolitik in Baden-Württemberg wird die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung stark umstritten. Diese Regelung sieht vor, dass nicht nur die Eltern, sondern auch Lehrkräfte und Leistungstests künftig über den möglichen Schulgang ihrer Kinder entscheiden. Ein zentrales Dokument, das diese Entwicklung begleitet, ist das neue Landesschulgesetz, das eine Kombination aus Lehrkraftempfehlung und dem „Kompass 4“-Test für Viertklässler einführt. Allerdings äußert der baden-württembergische Landesschülerbeirat (LSBR) erhebliche rechtliche Bedenken gegen diese Neuregelung, die als verfassungswidrig angesehen wird. Insbesondere stört man sich an der „unzulässigen Rückwirkung“ auf die derzeitigen Viertklässler. In einem Gutachten, das an das Kultusministerium übermittelt wurde, wird auf diese Probleme hingewiesen. [SWR] berichtet, dass auch die SPD und die Grüne Jugend kritisieren, dass das Verfahren ungerecht und rechtlich bedenklich sei.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wird aufgefordert, die neuregulierte Grundschulempfehlung auszusetzen. Das Kultusministerium unter Theresa Schopper (Grüne) reagiert jedoch gelassen auf die Einwände des LSBR und vertritt eine abweichende Rechtsauffassung. Im Rahmen dieser neuen Regelungen wird der Kompetenztest als zusätzliche Möglichkeit betrachtet, um Zugang zum Gymnasium zu erhalten. Das Ministerium kritisiert zudem die Art und Weise, wie der LSBR seine Anliegen formuliert hat, und bemängelt die enge Antwortfrist sowie die Ultimaten, die in diesem Kontext gestellt wurden.
Belastende Schulpraxis und Forderungen der Verbände
Eine Befragung, die im Dezember 2024 veröffentlicht wurde, zeigt, dass eine Vielzahl von Schulbeteiligten die Einführung der neuen Grundschulempfehlung als erhebliche Belastung für die Schulpraxis empfindet. Fast 1000 Befragte, darunter ein Fünftel der Schulleitungen von Grundschulen, äußerten in der Umfrage, dass die überlastenden Prozesse das Vertrauen in die Schulorganisation gefährden. Es wird berichtet, dass 81,2 Prozent der Befragten sich unzureichend auf die neuen Regelungen vorbereitet fühlen, während 77,4 Prozent hohe Belastungen durch die Grundschulempfehlung beklagen. Über 91,7 Prozent empfinden, dass ihre Expertise nicht ausreichend gehört wird, was noch vor den Herausforderungen der organisatorischen Mängel und der unzureichenden Kommunikation während einer Videokonferenz hervorgehoben wird, die vom Kultusministerium veranstaltet wurde. [GSV BW] berichtet, dass während dieser Veranstaltung mehr Fragen als Antworten aufkamen.
In Anbetracht dieser Ergebnisse fordern die betroffenen Verbände unter anderem die Aussetzung der verpflichtenden Grundschulempfehlung, um eine rechtlich sichere Grundlage zu schaffen. Zudem wird eine Reduktion des bürokratischen Aufwands sowie bessere Kommunikationsstrukturen als notwendig angesehen. Weitere Forderungen beinhalten die Einbeziehung von Praxisexperten in die Weiterentwicklung der Verfahren sowie mehr Ressourcen für individuellen Unterricht und Bildungsgerechtigkeit. Die Verbände fordern auch, dass die Arbeit der Lehrkräfte und Schulleitungen mehr Wertschätzung und Respekt erfahren sollte. Darüber hinaus wird der Vorschlag gemacht, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode eine Enquetekommission zur „Bildungszukunft Baden-Württemberg“ einzurichten.
Zukunftsperspektiven für Schulen in Baden-Württemberg
Gleichzeitig ist das Thema der Zukunftsfähigkeit der Schulen von großer Bedeutung. In diesem Fall plant das Kultusministerium neue Unterrichtskonzepte zu entwickeln und Lehrkräfte fortzubilden. Diese Initiativen sind Teil des Programms „Startchancen BW“, das bereits am 07. Oktober mit einer Auftaktveranstaltung begonnen hat und zunächst 227 Schulen, davon 167 im Primarbereich, umfasst. Weitere 313 Schulen sollen im Schuljahr 2025/2026 integriert werden. Über die nächsten zehn Jahre sollen rund 2,6 Milliarden Euro in Maßnahmen für benachteiligte Schülerinnen und Schüler investiert werden. [KM BW] hebt hervor, dass die Budgets für Schulen basierend auf den Schülerzahlen zusammengestellt werden, was hohe Anforderungen an die Unterrichtsversorgung stellt.
Über 1.000 neue Grundschullehrkräfte werden eingestellt, um Engpässen in der Unterrichtsversorgung entgegenzuwirken; dennoch erwartet man einen hohen Aufwuchs an Grundschulen mit ca. 15.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern. Um diese Herausforderungen zu meistern, wird ein starkes Augenmerk auf die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung gelegt, wobei die Einschreibeverfahrensanforderungen ebenfalls eine revidierte Grundschulempfehlung erforderlich machen.