
Die „Anti-Baby-Pille“ hat seit ihrer Einführung vor 65 Jahren das Leben vieler Frauen grundlegend verändert. Ursprünglich als Symbol sexueller Freiheit gefeiert, steht sie mittlerweile zunehmend in der Kritik. Dr. Uta Fenske vom Zentrum für Gender Studies der Universität Siegen spricht über die bemerkenswerte Rolle der Pille in der Gesellschaft. Diese hormonelle Verhütungsmethode hat das Sexualleben heterosexueller Frauen im gebärfähigen Alter revolutioniert.
Mit der Pille konnten Frauen sicherer und ohne Angst vor ungewollten Schwangerschaften vorehelichen Sex haben, was eine erhebliche Entlastung im gesellschaftlichen Kontext darstellt. Die Möglichkeit, ihre Familienplanung besser zu steuern, ermöglichte vielen Frauen eine bessere Lebens- und Karriereplanung. In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Medikament als „Anti-Baby-Pille“ und in der DDR als „Wunschkindpille“ bekannt. Laut uni-siegen.de dauerte es etwa ein Jahrzehnt, bis die Pille in der Bundesrepublik Fuß fasste. Im Jahr 1973 nahmen bereits 38% der Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren die Pille ein.
Gespaltene Meinungen zur Pille
Die 1960er-Jahre waren geprägt von einem Tabu rund um das Thema Verhütung. Die Einführung der Pille trug wesentlich zur öffentlichen Diskussion bei. Die Meinungen waren gespalten: Während einige die Pille als Befreiung feierten, waren andere besorgt über gesundheitliche Risiken. Diese Bedenken spiegeln sich auch in der Neuen Frauenbewegung wider, die ebenfalls unterschiedliche Positionen vertrat. Einige Frauen forderten die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, während andere die gesundheitlichen Risiken kritisierten.
In den letzten Jahren hat sich die Einstellung zur Pille gewandelt. Die Nutzung sank von 55% im Jahr 2007 auf knapp 38% heute. Das Kondom hingegen gewinnt an Beliebtheit. Kritische Einstellungen zur hormonellen Empfängnisverhütung haben seit 2018 zugenommen. So berichten viele Frauen von Nebenwirkungen wie Verstimmungen, Depressionen, Kopfschmerzen und Libidoverlust. Eine 2023 durchgeführte Studie zeigt, dass 64% der sexuell aktiven Männer die Pille als belastend empfinden, was als Zeichen für eine gleichberechtigtere Sichtweise gewertet wird.
Die Suche nach neuen Verhütungsmethoden
<pIn Anbetracht der aktuellen Herausforderungen in der Verhütung hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Fachveranstaltung zu gleichberechtigter Familienplanung und Verhütungsmethoden initiiert. Ziel der Veranstaltung war es, Grundlagen für neue Forschungsprojekte im Bereich reproduktiver Selbstbestimmung und Gesundheit zu schaffen. Das Recht auf Elternschaft und die Anzahl der Kinder wird als elementares Menschenrecht betrachtet.
Forschungsarbeiten, die unter anderem von Dr. Petra Frank-Herrmann von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg angestoßen wurden, zeigen, dass aktuelle Verhütungsmittel nicht den Bedürfnissen jüngerer Menschen entsprechen. Gewünscht werden insbesondere hormonelle Verhütungsmittel mit weniger Nebenwirkungen sowie nicht-hormonelle Alternativen. Zudem wird an nicht-hormonellen Verhütungsmethoden für Männer geforscht, wie Prof. Dr. Timo Strünker erklärt. Dafür hat der Verein „Better birth control“, gegründet von Jana Pfenning und Rita Maglio, seit 2021 über 130.000 Unterschriften gesammelt.
Die Fachveranstaltung mit dem Titel „Forschung zu neuen Verhütungsmethoden“, die am 26. September 2024 in Berlin stattfand, zielte darauf ab, die moderne Empfängnisverhütung sowie die Bedürfnisse der Anwendenden in den Fokus zu rücken. Erkenntnisse sollen in eine neue Fördermaßnahme des BMBF einfließen, das seit 2023 fünf interdisziplinäre Nachwuchszentren für reproduktive Gesundheit fördert. Die Zentren in Hamburg, Jena, Leipzig, Münster und Ulm erhalten etwa 16 Millionen Euro, wobei der Schwerpunkt auf Frauengesundheit, männlicher Fortpflanzungsfähigkeit und dem Einfluss von Übergewicht liegt.
Das BMBF plant zudem eine weitere Fördermaßnahme, die sich auf das Thema Endometriose konzentriert. Mit etwa zehn Millionen Euro sollen ab September 2024 fünf Forschungsverbünde unterstützt werden, um Präventions-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu verbessern – ein wichtiger Schritt in der Förderung der reproduktiven Gesundheit.
Insgesamt zeigt sich, dass die Diskussion über Verhütung und reproduktive Selbstbestimmung nach wie vor aktuell ist und die Gesellschaft vor neuen Herausforderungen steht.