
Friedhöfe sind weit mehr als nur Orte des Erinnerns und der Trauer. Viele Menschen sehen sie als triste Plätze, doch in Wirklichkeit bergen sie eine überraschende Vielfalt an Leben. Der Evangelische Friedhof an der Oldenburger Landstraße in Delmenhorst dient als eindrucksvolles Beispiel für diese unerwartete Biodiversität. Rolf Nordbruch, ein engagierter Vertreter des Naturschutzbundes (Nabu) in Delmenhorst, kümmert sich um die 57 Nistkästen, die auf diesem Friedhof installiert sind. Sein Wissen wird durch die Erfahrungen seiner Frau ergänzt, die eine Friedhofsgärtnerei betreibt.
Der Friedhof ist nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Lebensraum für viele Tierarten. Frühblüher wie Krokusse und Schneeglöckchen schaffen eine Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. Nordbruch berichtet, dass 39 der Nistkästen von Meisen bewohnt sind, die eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen, indem sie Schädlinge wie die Eichenprozessionsspinner-Motten fressen. Auf dem Friedhof sind auch andere Vogelarten wie Kleiber und Zaunkönig anzutreffen. Zudem lebt hier eine kleine Population von Feldhasen und Maulwürfen, was die Vielfalt des Lebens weiter erhöht.
Ökologische Herausforderungen und Lösungen
Dennoch stehen Friedhöfe vor ökologischen und ökonomischen Herausforderungen. Unbenutzte Überhangflächen bieten zwar Potenziale für biologische Vielfalt, benötigen aber durchdachte Pflegekonzepte, um unkontrolliertes Wachstum von Bäumen zu verhindern, das die ökologischen Nischen gefährden könnte. Laut National Geographic kämpfen Gemeinden oft mit finanziellen Engpässen, da die Einnahmen aus Bestattungen nicht ausreichen, um die notwendigen Pflegearbeiten zu finanzieren.
Die Diskussion über zukünftige Nutzungsmöglichkeiten dieser Flächen ist bereits im Gange. Einige Vorschläge beinhalten die Umwandlung leerstehender Friedhofsflächen in Parks oder naturnahe Begegnungsorte wie Cafés. Innovative Ideen zur Gestaltung von Friedhöfen als Veranstaltungsstätten oder die Förderung von Artenvielfalt durch gezielte Pflanzenwahl sind ebenso Teil dieser Diskussion.
Förderung der Biodiversität
Die Erhaltung und Förderung der Pflanzen und Tiere auf Friedhöfen sind nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein kulturelles Anliegen. Projekte wie der Biodiversitätscheck in Kirchengemeinden (BiCK) verfolgen das Ziel, Kirchenflächen als Knotenpunkte der urbanen grünen Infrastruktur zu entwickeln. Schulen und –gemeinden werden darin unterstützt, umweltbewusste Praktiken zu fördern und dabei die Lebensräume von Pflanzen und Tieren zu schützen, wie auf agu.ekd.de beschrieben.
Ein bemerkenswertes Beispiel dieses Ansatzes ist die Kooperation zwischen dem NABU Oldenburger Münsterland, der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und der Kirchengemeinde Varel im Projekt „Lebendiger Friedhof“. Dieses Projekt wurde 2017 im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet und hebt das Potenzial für Artenvielfalt auf Friedhöfen hervor, indem es gestalterische Maßnahmen und umweltpädagogische Veranstaltungen integriert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Friedhöfe wirklich als Lebensräume in ihrer eigenen Weise fungieren können. Sie bieten nicht nur Trost für die Hinterbliebenen, sondern auch Gelegenheiten zur Erhaltung der Biodiversität und zur Förderung eines harmonischen Zusammenlebens von Menschen und Tieren. Die Zukunft dieser besonderen Orte hängt jedoch von einer klugen Planung und der Unterstützung der Gemeinschaft ab, um ihre wertvollen ökologischen Rollen weiterhin zu erfüllen.