
Im Jahr 2023 sind die Antibiotika-Verordnungen in Baden-Württemberg laut einer Analyse der AOK auf ein alarmierend hohes Niveau gestiegen. Insgesamt wurden über 4,1 Millionen Packungen antibiotischer Mittel bei der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet. Dies stellt einen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren dar, insbesondere zu den Jahren 2021 mit 2,8 Millionen und 2022 mit 3,6 Millionen Abrechnungen. Besonders beunruhigend ist die Zunahme der Verschreibung von Reserveantibiotika, welche 1,9 Millionen Packungen ausmachten und somit 46,6 Prozent aller Verordnungen in dieser Kategorie entsprechen. Bundesweit liegt dieser Anteil bei 43,4 Prozent, wie swr.de berichtet.
Die Problematik des hohen Einsatzes von Reserveantibiotika wird von Arzneimittelexperten wie Frank Wienands scharf kritisiert. Diese Medikamente sind speziell für strenge Indikationen gedacht und sollten nur bei schweren Infektionen oder bei nachweisbaren multiresistenten Erregern zum Einsatz kommen. Wienands warnt, dass eine häufige Verschreibung ohne vorherige Tests auf die Wirksamkeit gefährliche Resistenzen zur Folge haben kann. Ein weiteres Problem ist die Verschreibung von Antibiotika bei viralen Erkrankungen, wie etwa gewöhnlichen Erkältungen, die in der Regel nicht behandelt werden müssen.
Der Anstieg der Resistenzen und die Relevanz von Reserveantibiotika
Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, äußert Besorgnis über den Anstieg der Verordnungen von Reserveantibiotika, die eine der letzten Therapieoptionen darstellen, wenn herkömmliche Antibiotika versagen. 2023 wurden in Deutschland insgesamt 36,1 Millionen Packungen Antibiotika abgerechnet, was einen Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Dabei zeigt sich ein Trend, dass der verantwortungsvolle Umgang mit diesen Medikamenten noch nicht konsequent genug implementiert ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt Infektionskrankheiten als eine der häufigsten Todesursachen an, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, wo Kinder oft betroffen sind. In Wohlstandsregionen sind ältere und chronisch kranke Menschen in einem hohen Risiko, was die Notwendigkeit eines sachgerechten Antibiotikaeinsatzes verdeutlicht. In den letzten zehn Jahren wurden lediglich neun von 362 neuen Antibiotika auf dem Markt eingeführt, was die Herausforderung unterstreicht, mit der sich die moderne Medizin konfrontiert sieht.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Resistenzen
Die Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Kommission ART) beim Robert Koch-Institut (RKI) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Umgang mit Antibiotika zu verbessern. Zu den Schlüsselbereichen gehören die Vermittlung von Wissen über Antibiotika und deren Resistenzentwicklung, die Verbesserung der Verschreibungspraxis und die Förderung mikrobiologischer Diagnostik vor Therapiebeginn. Maßnahmen zur Infektionsprävention durch hohe Hygienestandards sowie öffentliche Aufklärungskampagnen sind essenziell, um das Resistenzrisiko nachhaltig zu senken.
Die Herausforderungen im Umgang mit Antibiotika sind vielfältig, und es bedarf koordinierter Anstrengungen auf mehreren Ebenen, um die Wirksamkeit dieser lebenswichtigen Medikamente für zukünftige Generationen zu sichern. Eine der zentralen Botschaften bleibt: Der übermäßige und ungeeignete Einsatz von Antibiotika birgt die Gefahr der Entstehung von Resistenzen, was ein ernstzunehmendes Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellt. Die Debatte über den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika hat somit an Dringlichkeit gewonnen, sowohl auf fachlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene.