
Die Fortschritte in der Medizin haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen in Deutschland eine Krebserkrankung überleben. Aktuell gibt es erstmals über fünf Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung stehen Langzeitüberlebende, also Personen, deren Diagnose mehr als fünf Jahre zurückliegt, vor signifikanten Herausforderungen. Dies geschieht nicht nur aufgrund der körperlichen Einschränkungen durch Spätfolgen, sondern auch wegen psychischer Belastungen wie der ständigen Angst vor Rückfällen und finanziellen Schwierigkeiten, die durch Einkommenseinbußen bedingt sind. Der Bedarf an niedrigschwelliger Unterstützung ist groß, jedoch sind entsprechende Angebote selten und oft schwer zugänglich.
Angesichts dieser Situation hervorgehoben hat die Universität Witten/Herdecke (UW/H) im Januar 2025 ein Projekt namens HeLiS ins Leben gerufen. Dieses digitale, diversitätssensible Angebot zielt darauf ab, die Gesundheitskompetenz und das Selbstmanagement von Langzeitüberlebenden zu stärken. Die Initiative erhält eine Förderung von rund 646.000 Euro über drei Jahre von der Deutschen Krebshilfe. Neben UW/H sind auch die Universität Siegen und die Universitätsmedizin Greifswald in das Projekt involviert. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Mobilisierung eigener Ressourcen gelegt.
Ziel des HeLiS-Projekts
Das HeLiS-Projekt hat das klare Ziel, die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Nutzer:innen zu berücksichtigen. Dazu wird eine digitale Plattform entwickelt, die eine Vielzahl unterschiedlicher Inhalte anbieten kann, wie interaktive Quizze, Gedächtnistraining, Coaching-Angebote sowie Yoga- und Atemübungen. Besonders wichtig ist hierbei die Berücksichtigung psychischer und psychosozialer Herausforderungen. Die Universitätsmedizin Greifswald bringt zudem ihre psychoonkologische Expertise in das Projekt ein.
Ein zentrales Element des HeLiS-Projekts ist der partizipative Ansatz, bei dem Langzeitüberlebende aktiv in die Entwicklungsphasen einbezogen werden. Durch Workshops mit Betroffenen und deren Fürsprechern wird gewährleistet, dass das Angebot den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer:innen entspricht. Ein externes Softwareunternehmen wird zudem in die Entwicklung eines Prototyps eingebunden, der anschließend durch eine randomisierte kontrollierte Studie evaluiert wird. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass das digitale Angebot nicht nur niedrigschwellig, sondern auch effektiv und datenschutzkonform gestaltet wird.
Langzeitfolgen und aktuelle Herausforderungen
Trotz der positiven Nachrichten ist das Leben nach einer Krebserkrankung oft mit spezifischen Langzeitfolgen und sozialen Herausforderungen belastet. Zu diesen zählen häufig kardiovaskuläre Erkrankungen, Sekundärmalignome und auch psychische Probleme wie Depressionen. Laut Schätzungen leben in Deutschland mindestens 4,5 Millionen Menschen mit oder nach Krebs, wobei etwa zwei Drittel dieser Gruppe als Langzeitüberlebende betrachtet werden können. Der Bedarf an umfassenden Versorgungsangeboten, die sowohl Langzeit- als auch Spätfolgen ganzheitlich adressieren, ist daher enorm.
Die Gründung einer Expert:innen-Arbeitsgruppe „Langzeitüberleben nach Krebs“ im Rahmen des Nationalen Krebsplans soll zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Ein zentrales Anliegen dieser Gruppe ist es, die Unterstützung der Überlebenden nach der Akutbehandlung zu verbessern, Langzeit- und Spätfolgen zu erkennen und die Koordination zwischen Fachärzten und Nachsorgeärzten zu optimieren.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat jüngst Forschungsprojekte initiiert, die sich mit den Ursachen von Langzeitfolgen auseinandersetzen. Diese Forschung zielt darauf ab, präventive Maßnahmen und Medikamente zu entwickeln, die die Lebensqualität derjenigen verbessern, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Hierzu gibt es auch Fristen für die Einreichung von Projektskizzen bis zum 20. November 2024.
Insgesamt zeigt sich ein erheblicher Entwicklungsbedarf für umfassende Survivorship-Programme im deutschen Gesundheitssystem. Innovative Ansätze, wie sie im HeLiS-Projekt verfolgt werden, können möglicherweise einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von Langzeitüberlebenden leisten.
Für weitere Informationen besuchen Sie: Universität Witten/Herdecke, Dekade gegen Krebs und PMC.