
Die Diskussion über Abschiebungen nach Afghanistan gewinnt in Deutschland erneut an Fahrt, insbesondere nach dem tragischen Anschlag in München, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Der Verfasser des Attentats, ein 24-jähriger Afghane, hinterließ eine Spur der Zerstörung mit mindestens 37 Verletzten. Diese Vorfälle haben den Druck auf die Bundesregierung erhöht, Verhandlungen mit den Taliban in Betracht zu ziehen.
Rufe nach Gesprächen mit den Taliban nehmen zu. Insbesondere die Union und die FDP setzen sich für Verhandlungen ein, während die Grünen eine solche Vorgehensweise strikt ablehnen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hält Gespräche für notwendig, um die Abschiebungen nach Afghanistan möglich zu machen. Er kritisierte, dass Deutschland regelmäßig 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe nach Afghanistan leistet, während es gleichzeitig eine technische Gesprächsebene mit den Taliban meide. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützt die Forderung nach wöchentlichen Abschiebeflügen, um schnellstmöglich auf die Situation zu reagieren.
Politische Reaktionen
Auf die jüngsten Ereignisse reagiert auch die Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte die Abschiebung des Attentäters von München an und erinnerte daran, dass im vergangenen Jahr bereits ein Abschiebeflug nach Kabul stattfand. Die FDP, unter dem Vorsitz von Christian Lindner, fordert direkte Gespräche mit den Taliban, um die Voraussetzungen für Abschiebungen zu klären. Lindner ruft Außenministerin Annalena Baerbock dazu auf, technische Gespräche zu führen.
Unterdessen weist der designierte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann darauf hin, dass die Zahl der Afghanen, die nach Deutschland kommen, stetig steigt. Er fordert eine Beschleunigung der Abschiebungen und macht auf die rechtlichen Hürden aufmerksam, die dem geplanten Vorgehen entgegenstehen. Deutsche Gerichte könnten Abschiebungen untersagen, wenn die Gefahr von Todesstrafe, Folter oder unmenschlicher Behandlung besteht.
Risiken und Herausforderungen
Thomas Ruttig, ein Experte des „Afghanistan Analysts Network“, hebt hervor, dass die Taliban an internationaler Anerkennung interessiert sind und möglicherweise Gespräche über Abschiebungen begrüßen könnten, um ihre Legitimität zu stärken. Er warnt jedoch vor den Risiken für abgeschobene Personen, insbesondere wenn sie in Verbindung mit dem Islamischen Staat stehen. Die Taliban könnten rabiat gegen diese Personen vorgehen.
Die rechtlichen Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen. Es gibt Berichte über Folter und extralegale Hinrichtungen unter dem Taliban-Regime, was die Sicherheit von Abgeschobenen ernsthaft gefährdet. Zudem könnte ein individueller Umgang der Taliban mit abgeschobenen Straftätern die Situation weiter komplizieren. Ruttig schätzt die gegenwärtige Situation so ein, dass eine direkte Abschiebung nach Afghanistan nur möglich wäre, wenn auch Nachbarländer ihre Zustimmung geben würden.
Aktuell hat die deutsche Botschaft in Kabul ihren Dienstbetrieb eingestellt. Der Kontakt zur afghanischen Regierung erfolgt lediglich über ein Verbindungsbüro in Doha, was die diplomatischen Beziehungen weiter kompliziert. Die Taliban unterhalten jedoch weiterhin ihre Botschaft in Berlin, die konsularische Aufgaben erfüllt, was die Widersprüche in der deutschen Außenpolitik verdeutlicht.
Die Diskussion um Abschiebungen und den Umgang mit den Taliban wird in den kommenden Wochen voraussichtlich weiter an Intensität gewinnen, insbesondere angesichts des komplexen politischen und humanitären Kontexts in Afghanistan.
Für weitere Informationen zu den Hintergründen dieser Debatte siehe Merkur und Tagesschau.