
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 hat grundlegende Veränderungen im Zivilschutz in Deutschland ausgelöst. Angesichts anhaltender geopolitischer Spannungen hat die Bundesregierung damit begonnen, ein umfassendes nationales Schutzraumkonzept zu entwickeln, um den Bürgerinnen und Bürgern im Falle eines Krieges oder einer Zivilschutzlage mehr Sicherheit zu bieten. Ein zentrales Ziel ist es, die vergessenen Bunkeranlagen, die während des Kalten Krieges erbaut wurden, wieder in den Fokus zu rücken, wie Tag24 berichtete.
In Baden-Württemberg, das als Vorreiter bei diesen Maßnahmen gilt, überlegen Bund und Länder, wie die Schutzmöglichkeiten für die Bevölkerung im Kriegsfall erhöht werden können. Erste Ergebnisse und Hinweise zur Reaktivierung von Schutzräumen sollen in der ersten Jahreshälfte 2025 veröffentlicht werden. Dabei wird auch der Neubau von Schutzräumen in den Betracht gezogen. Ein Projekt des Bundesinnenministeriums sieht vor, öffentliche und private Gebäude als potenzielle Zufluchtsorte zu identifizieren. Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Kellerräume sollen systematisch erfasst werden.
Der Ist-Zustand der Schutzräume
Historisch betrachtet hatte Baden-Württemberg während des Kalten Krieges 547 öffentliche Schutzräume, die Platz für über 400.000 Personen boten. Aktuell sind jedoch nur noch 220 Schutzräume mit rund 176.000 Plätzen vorhanden, von denen keiner der Räume jedoch nutzbar ist. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, die Infrastruktur im Zivilschutz zu überdenken und gegebenenfalls zu modernisieren. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe weist darauf hin, dass in Deutschland derzeit nur 579 öffentliche Schutzräume mit insgesamt 477.593 Schutzplätzen existieren, die jedoch ebenfalls nur eingeschränkt nutzbar sind.
Die Notwendigkeit zur Reaktivierung dieser Schutzräume wird durch eine umfassende Bestandsaufnahme deutlich, die im Mai 2023 abgeschlossen wurde. Diese wurde unter dem Gesichtspunkt durchgeführt, alle öffentlich gewidmeten Schutzräume zu katalogisieren und ihre Eignung für moderne Bedrohungsszenarien zu bewerten. Ein Bericht der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) hat ergeben, dass eine Reaktivierung der Schutzräume grundsätzlich möglich ist, jedoch vom gewünschten Schutzniveau abhängig ist.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Sanierung
Ein Baustein im geplanten Schutzraumkonzept sind die gesetzlichen Regelungen, die öffentliche Schutzräumlichkeiten betreffen. Schon seit den 1960er Jahren existieren in den alten Bundesländern rund 2000 öffentliche Schutzraumanlagen. Diese sind größtenteils im Besitz von Städten, Gemeinden oder privaten Eigentümern. Ein bauliches Veränderungsverbot gemäß Paragraph 7 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes (ZSKG) steht den Erneuerungen im Weg. Zudem wurde bereits 2007 beschlossen, das Schutzbaukonzept schrittweise aufzugeben, was zu einer sukzessiven Entlassung vieler Schutzräume von der Zivilschutzbindung führte.
Das anhaltende Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit führt jedoch dazu, dass die Diskussion um die Wiederherstellung und Modernisierung dieser Anlagen neue Impulse erhält. Nach den Terroranschlägen von 2001 und dem Elbehochwasser 2002 wurde der Zivilschutz auf moderne Bedrohungsszenarien ausgerichtet. Im Jahr 2022, mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, wurde die Rückabwicklung von Schutzanlagen erneut gestoppt und die Notwendigkeit einer tragfähigen Zivilschutzstrategie in den Mittelpunkt gerückt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Deutschland vor einer entscheidenden Phase im Zivilschutz steht. Die Entwicklung eines effektiven und modernen Schutzraumkonzepts wird entscheidend sein, um die Bevölkerung in Krisensituationen bestmöglich zu schützen. Weitere Informationen zu diesem Thema sind auf der Webseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verfügbar.