
Die Geschichte der „Wolfskinder“, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen lebten, ist geprägt von Verlust, Überlebenskampf und der Suche nach Identität. In dem Buch „Wolfskinder in Ostpreußen“ von Hans Paul wird das Schicksal dieser Kinder eindringlich thematisiert. Viele von ihnen verloren ihre Eltern, wurden von ihnen getrennt oder mussten fliehen. Sie schlossen sich oft zu Gruppen zusammen und durchstreiften die Wälder in einem verzweifelten Versuch, den Gefahren der Nachkriegszeit zu entkommen. Diese Kinder, oft ums Überleben kämpfend, wurden als „Wolfskinder“ bekannt, ein Begriff, der auf ihre Tierheit in präkären Lebensumständen hinweist. compact-online.de berichtet über eine spezielle Familie, die am Haff fliehen musste. Tragische Umstände führten dazu, dass die Mutter auf der Flucht starb und die Kinder allein weiterziehen mussten.
Die Geschichte der Wolfskinder ist nicht nur eine individuelle Erzählung, sondern spiegelt auch die gesamtgesellschaftliche Realität der Zeit wider. Der Fokus liegt auf den Geschwistern, die in den Wäldern Ostpreußens und Litauens ums Überleben kämpften. Ihnen drohten Hunger, Kälte und die ständige Bedrohung durch die Nachkriegsgewalt. Der emotional aufgeladene und prägnante Schreibstil von Hans Paul hebt die Dramatik ihrer Erlebnisse hervor und bringt authentische Zeitzeugenberichte an die Öffentlichkeit.
Ein verdrängtes Kapitel der Geschichte
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen einige Menschen in Deutschland das Narrativ, sich von den Verantwortung für die Kriegsgräueltaten freisprechen zu können. Ein deutsches Opfernarrativ entstand, das die Erinnerungen an den Holocaust und die Gräueltaten der Sowjets selektiv behandelte. Dr. Jenny Wüstenberg, Gastprofessorin an der York University, beschreibt, dass diese Gräueltaten im sowjetisch besetzten Ostdeutschland kaum thematisiert wurden, da die Sowjets als Vertreter der Befreiung galten. In Westdeutschland war hingegen das Leid der Deutschen ein zentraler Bestandteil der Kriegserinnerungen. Kontroversen um die Thematisierung der Wolfskinder fanden oft in rechtsextremen Kreisen statt, was die Debatte weiter komplizierte. nationalgeographic.de hebt hervor, dass der Fall der Berliner Mauer 1989 und der Zerfall der Sowjetunion eine offenere Auseinandersetzung mit dieser dunklen Vergangenheit ermöglichten.
Lukas Kreibig betont, wie wichtig es ist, die Geschichten der Wolfskinder zu erzählen, um die Folgen des Krieges aufzuarbeiten. Sein Projekt reflektiert die Auswirkungen des Krieges auf die Identität von Kindern und versucht, diese weitgehend verdrängten Erinnerungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Erinnerung und Aufarbeitung
Die Erinnerungskultur zu den „Wolfskindern“ hat sich nach der Unabhängigkeit Litauens 1991 stark gewandelt. Zu dieser Zeit konnten die „Wolfskinder“ endlich über ihre Nachkriegserfahrungen sprechen, nachdem ihre Geschichten zuvor im sowjetischen Raum oft im Schatten heroischer Mythen verblassten. Der Verein Edelweiß wurde gegründet, um ehemals „Wolfskindern“ bei der Suche nach Verwandten und der Feststellung von Staatsangehörigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland zu helfen. bpb.de erinnert daran, dass der Begriff „Wolfskinder“ erstmals 1991 durch den Dokumentationsfilm von Eberhard Fechner populär wurde.
Die in den folgenden Jahren begonnene mediale Berichterstattung und die Veröffentlichung von Geschichten in regionalen Pressen und im litauischen Fernsehen trugen dazu bei, den „Wolfskindern“ eine Stimme zu geben. Ab 1997 erhielten sie den Status als Opfer der sowjetischen Besatzung. Der Roman „Mein Name ist Marytė“ von Alvydas Šlepikas, veröffentlicht im Jahr 2011, sorgte zudem für weiteres Interesse und eine breitere Diskussion über die Schicksale dieser Kinder. Bildungsprojekte und Dokumentarfilme, wie Barbara Sieroslawski’s „Mädchengeschichten“, geben den verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen der Kinder während des Krieges eine Plattform.