
Das Dublin-Verfahren, ein zentrales Element der EU-Asylpolitik, sollte sicherstellen, dass jeder Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat geprüft wird. Die Idee dahinter: Sekundärwanderung innerhalb der EU zu steuern und Verantwortung klar zuzuweisen. Doch die Umsetzung dieser Richtlinien, insbesondere in Baden-Württemberg, gestalte sich als zunehmend problematisch. Laut bnn.de zeigt sich, dass im vergangenen Jahr von 10.467 Überstellungsanfragen, die an andere EU-Staaten gerichtet wurden, nur 660 tatsächlich realisiert werden konnten. Das entspricht weniger als 10% der genehmigten Anträge und offenbart die Schwierigkeiten des Systems.
Die Dublin-Verordnung besagt, dass das Ersteinreiseland für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist. Dies bedeutet, dass Flüchtlinge, die in ein anderes EU-Land reisen und dort Asylanträge stellen, unter bestimmten Bedingungen an das ursprüngliche Land zurückgenommen werden müssen. Insbesondere Italien stellt sich hierbei als problematisch dar. Seit Dezember 2022 hat Italien keine Dublin-Flüge mehr akzeptiert und hat aus Baden-Württemberg keinen einzigen Rücknehmerantrag bearbeitet, obwohl 2.514 Ersuchen und 2.144 Zusagen vorlagen.
Probleme bei der Überstellung
Die Ineffektivität des Dublin-Systems wurde durch Vorfälle wie die Anschläge von Solingen und Aschaffenburg verstärkt in den Fokus gerückt. Der Fall aus Aschaffenburg ist besonders aufschlussreich, da die Rückführung eines mutmaßlichen Angreifers erst kurz vor Ablauf der gesetzlich festgelegten Frist kommuniziert wurde. Statistiken aus tagesschau.de zeigen, dass in den Jahren 2023 und 2024 die deutschen Ausländerbehörden in Zehntausenden Fällen nicht in der Lage waren, Asylbewerber entsprechend dem Dublin-Verfahren zu überstellen, obwohl die Zustimmung der betreffenden EU-Länder vorlag.
Die Zahlen sind alarmierend: Im Jahr 2023 wurden rund 74.622 Überstellungen beantragt, von denen lediglich 5.053 tatsächlich durchgeführt wurden. Im Jahr 2024 lag die Zahl der beantragten Überstellungen bei 74.583 – auch hier war die Realisierungsrate mit 5.827 Überstellungen ernüchternd. Die Gründe für diese hohen Ausfälle sind vielfältig: Von verspäteter Bearbeitung bis hin zu gerichtlichen Entscheidungen, die Überstellungen blockieren.
Rechtliche Grundlagen und Herausforderungen
Das Dublin-Verfahren ist rechtlich komplex. Es basiert auf der Dublin III-Verordnung, die für alle Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz gilt. Das Verfahren sieht vor, dass ein Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat bearbeitet wird. Wenn innerhalb von sechs Monaten nach Zustimmung des Mitgliedstaates keine Überstellung erfolgt, wird die Zuständigkeit an Deutschland übertragen, was die ohnehin angespannten Ressourcen weiter belastet, wie auf bamf.de erläutert wird.
Die Herausforderungen, die sich bei den Überstellungen zeigen, sind nicht nur administrativ. In vielen Fällen verhindern rechtliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Menschenrechtslage in den Empfängerländern, eine Überstellung von Asylbewerbern. Insbesondere bei Anträgen nach Kroatien wird es problematisch, wenn Gerichte Bedenken hinsichtlich der rechtsstaatlichen Verfahren und der Unterbringungsbedingungen äußern.
In Baden-Württemberg ist die Unzufriedenheit mit dem Dublin-System deutlich spürbar. Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) äußerte Bedauern über die Ineffektivität, während die SPD-Fraktion von einem erheblichen Vollzugsdefizit spricht. Fast 1.300 der Überstellungen scheiterten daran, dass die abgelehnten Asylbewerber nicht angetroffen wurden, was die Schwächen des Systems weiter verdeutlicht.