
Volker Kutscher hat mit seinem letzten Roman „Rath“ die Geschichte des Kommissars Gereon Rath abgeschlossen. Die Lesung am Montagabend in Potsdam zog rund 300 Zuhörer an, die gespannt den Erzählungen des Autors lauschten. Kutscher, bekannt für seine Krimi-Reihe „Babylon Berlin“, thematisiert in diesem zehnten Band den schleichenden Aufstieg des Nationalsozialismus und die dunklen Ereignisse der 1930er Jahre, während der Protagonist inkognito im Jahr 1938 nach Deutschland zurückkehrt, um seinen sterbenden Vater zu besuchen. Dies geschieht in einer Zeit, in der er aus Deutschland fliehen wollte, um dem Regime zu entkommen, das er nun erneut konfrontieren muss. MAZ berichtet, dass die Lesung von Thomas Böhm moderiert wurde, der Kutscher bereits aus einem Podcast über historisches Berlin kennt.
Kutschers letzte Erzählung behandelt zentrale historische Ereignisse wie die Münchener Konferenz, die „Polenaktion“ und die Reichsprogromnacht. Insbesondere die „Polenaktion“, die im Oktober 1938 stattfand, war eine der ersten Massendeportationen von Jüd:innen aus dem Deutschen Reich. Wie die taz beschreibt, wurden damals rund 17.000 jüdische Menschen mit polnischer Staatsbürgerschaft an die Grenze deportiert, viele von ihnen lebten bereits seit Jahren in Deutschland. Diese Deportationen geschahen kurz vor der Reichsprogromnacht am 9. November, als die Sichtbarkeit der Verfolgung weiter zunahm.
Ein komplexes Bild der Verfolgung
In „Rath“ greift Kutscher auf Zeitzeugenberichte zurück, um die Reichsprogromnacht, die als „endgültiger Zivilisationsbruch“ bezeichnet wird, eindrücklich darzustellen. Diese Episode wird in der Öffentlichkeit oft als schockierendes Ereignis betrachtet, welches jedoch in der Berichterstattung zur damaligen Zeit weitgehend ignoriert wurde. Kutscher reflektiert so auch über das gesellschaftliche Versagen und thematisiert nicht nur persönliche Schicksale, sondern auch die systematische Verfolgung, die hinter diesen Gräueltaten steht.
Die Geschichte von Gereon Rath ist nicht nur ein Kriminalroman, sondern auch ein Spiegelbild der Gesellschaft während des Nationalsozialismus. Der Autor behandelt in seinen Büchern die unterschiedlichen Herausforderungen, mit denen sich die Polizei und die Gesellschaft konfrontiert sehen, während sie versuchen, in einer zunehmend repressiven Umwelt zu agieren. Die Bundeszentrale für politische Bildung liefert einen wichtigen historischen Kontext zu diesem Thema, indem sie die Mechanismen der Verfolgung zwischen 1933 und 1945 beschreibt.
Die Beziehung zwischen Gereon Rath und seiner großen Liebe Charly wird ebenfalls behandelt, wobei Kutscher betont, dass die historischen Gegebenheiten, die den Hintergrund seiner Geschichten bilden, kein Happy End erlauben. Im Roman wird der Mord an zwei Hitlerjungen zum zentralen Punkt und verdeutlicht die kritischen Herausforderungen und moralischen Dilemmata, vor denen die Charaktere stehen.
Mit „Rath“ schließt Kutscher die Gereon-Rath-Reihe, die er 2007 mit „Der nasse Fisch“ begann. Diese zehn Bände dokumentieren den Übergang von der Weimarer Republik ins nationalsozialistische Deutschland und fangen die Atmosphäre der damaligen Zeit ein. Der letzte Band endet mit der Reichsprogromnacht, symbolic als der endgültige Schlussstrich unter die gesamte Reihe und lässt die Leser mit der bitteren Realitäten der Zeit zurück. Die fünfte Staffel der gleichnamigen Serie ist bereits für Oktober 2024 angekündigt und wird sicher viele neue und alte Fans begrüßen.