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Welfenschatz im Fokus: Wer ist der rechtmäßige Eigentümer?

Der Welfenschatz steht im Mittelpunkt eines juristischen Streits. Neue Dokumente werfen Fragen zur rechtmäßigen Eigentümerschaft auf und entfachen Debatten über NS-Raubkunst und Restitution.

Der Welfenschatz, eine der bedeutendsten Sammlungen kirchlicher Kunst des Mittelalters, steht im Mittelpunkt eines komplexen Rechtsstreits um seine rechtmäßige Eigentümerschaft. Der Schatz, bestehend aus 44 Meisterwerken wie Armreliquiare, Kreuze und Heiligenbildnisse aus wertvollen Materialien wie Gold, Silber, Perlmutt und Elfenbein, gehört dem ältesten Fürstenhaus Europas, den Welfen, und hat einen geschätzten Wert von mehreren Hundert Millionen Euro. Der Welfenschatz ist derzeit in der Gemäldegalerie zu Berlin ausgestellt und sorgt aufgrund neuer Informationen für erhebliche rechtliche Auseinandersetzungen.

Neue Dokumente, die aus dem Hessischen Staatsarchiv stammen und 2021 auftauchten, legen nahe, dass der Verkauf des Schatzes in der Nazizeit zwangsweise und nicht freiwillig erfolgte. Dies widerspricht einer Entscheidung der Limbach-Kommission von 2014, die den Verkauf als nicht verfolgungsbedingt einstufte. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die im Besitz des Welfenschatzes ist, hat angedeutet, dass sie einer erneuten Prüfung durch die Raubkunst-Kommission zustimmen könnte, sobald die Ansprüche der einzelnen Nachfahren geklärt sind. Insbesondere die Ansprüche der Nachfahren von Alice Koch, einer jüdischen Miteigentümerin der Kunstsammlung, stehen dabei im Fokus, da sie 1935 einen hohen Betrag für die Ausreise aus Nazi-Deutschland aufbringen musste, der durch den Verkauf des Welfenschatzes realisiert wurde. Laut Berichten betrug die von ihr gezahlte „Reichsfluchtsteuer“ über eine Million Reichsmark – ein deutliches Indiz für den Druck, dem sie ausgesetzt war.

Juristische Verwicklungen und neue Ansprüche

Die rechtlichen Herausforderungen um den Welfenschatz sind vielschichtig. Der Streit um die Rückgabe und die Ansprüche auf Restitution durch die Erben der jüdischen Kunsthändler, die den Schatz verkauft haben, begann bereits 2008. Zwar wurde eine Klage von Nachfahren der jüdischen Verkäufer 2023 vor US-Gerichten abgewiesen, doch der Konflikt ist alles andere als gelöst. Die SPK gibt an, dass sie „konkurrierenden Ansprüchen mehrerer Antragsteller“ gegenübersteht und fordert zur Klärung der Berechtigungen, bevor der Fall der Beratenden Kommission zur Rückgabe von NS-Raubgut übergeben werden kann. Kritiker bemängeln, dass die SPK seit Monaten die notwendige Zustimmung zur Prüfung des Falles hinauszögert.

Das politische Klima um den Welfenschatz ist komplex. Deutschland hat sich zwar den Grundsätzen der Washingtoner Erklärung von 1998 verpflichtet, die eine gerechte Lösung für den Umgang mit NS-Raubkunst anstreben, jedoch fehlt bisher ein rechtlich bindendes Restitutionsgesetz. Ein Entwurf für ein solches Gesetz wurde im April 2024 vorgestellt, hat jedoch bisher keine rechtlichen Konsequenzen nach sich gezogen. Die SPK bekennt sich zu den Washingtoner Prinzipien, wünscht jedoch die Klärung der Ansprüche, bevor konkrete Schritte unternommen werden.

Wert und kulturelle Bedeutung

Der Welfenschatz ist nicht nur von immensem finanziellen Wert, mit Schätzungen, die zwischen 100 Millionen und 300 Millionen US-Dollar liegen, sondern besitzt auch eine außergewöhnliche kulturelle Bedeutung. Die Sammlung umfasst Altaraufsätze, Schmuckkreuze und Schreine aus dem Braunschweiger Dom, die aus dem 11. bis 15. Jahrhundert stammen. Die Diskussion über die Rückgabe von NS-Raubkunst ist nicht nur eine juristische, sondern berührt auch tiefgreifende Fragen zur Verantwortung und Gerechtigkeit im Umgang mit der Geschichte. Alice Kochs Nachfahren haben seit 2022 Ansprüche erhoben, während sich die SPK weiterhin mit insgesamt drei verschiedenen Gruppen von Anspruchstellern auseinandersetzt. Anwälte, die die Erben vertreten, haben ebenfalls einen Antrag auf Akteneinsicht bezüglich des Welfenschatzes gestellt, was weiteres Licht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen werfen könnte.

Die Situation um den Welfenschatz bleibt angespannt und kompliziert. Die Debatte um die Rückgabe von NS-Raubkunst ist noch lange nicht abgeschlossen. Für viele ist dieser Fall nicht nur ein juristischer Streit, sondern handelt von gerechter Entschädigung und dem Umgang mit der dunklen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert.

Referenz 1
www.focus.de
Referenz 2
www.lto.de
Referenz 3
www.zeit.de
Quellen gesamt
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