
In Dakar, Senegal, wird derzeit eine tiefgreifende Umgestaltung des öffentlichen Bewusstseins angetrieben. Diese Initiative, die einen umfassenden Prozess der Umbenennung von Straßen und die Überarbeitung von Lehrplänen umfasst, soll die koloniale Vergangenheit des Landes aufarbeiten. Präsident Bassirou Diomaye Faye, der nach einer umstrittenen Wahl 2023 an die Macht kam, hat die Gründung einer neuen Behörde angekündigt, die für diese Umbenennungen verantwortlich ist. Ziel ist es, die ehrenden Namen von senegalesischen Persönlichkeiten wie dem bekannten Sänger Youssou Ndour ins öffentliche Leben zu integrieren. In seiner Ansprache betonte Faye, dass es an der Zeit sei, von den kolonialen Relikten wie dem Boulevard du Général de Gaulle Abschied zu nehmen und Platz für nationale Ikonen zu schaffen.
Ein Beispiel für die Entwicklung ist der Fleischverkäufer Matar Seck, der sich öffentlich gegen koloniale Straßennamen wie die Avenue Faidherbe und die Rue de Jules Ferry ausgesprochen hat. Seine Kritik verdeutlicht den weit verbreiteten Wunsch in der Bevölkerung nach einer Neugestaltung, die nicht nur die nationale Identität stärkt, sondern auch der kolonialen Geschichte Rechnung trägt.
Historische Verantwortung und koloniales Erbe
Der historische Kontext der Umbenennungen reicht tief in die Zeit der französischen Kolonialherrschaft zurück. Historisch gesehen ist Senegal für Frankreich von großer Bedeutung, war es doch der erste eroberte Ort in Westafrika. Die Umbenennungen und Errichtungen von Denkmälern waren während dieser Phase allgegenwärtig. Über die Jahre haben zahlreiche Protestaktionen stattgefunden, wie die Absetzung der Statue von Faidherbe im Jahr 2020. Auch die Stadtplanerin Rakhiat Diallo hat die Notwendigkeit einer solchen Aufarbeitung bekräftigt.
Zusätzlich zu den Namensänderungen fördert der Präsident einen Abzug von 350 französischen Soldaten aus dem Land. Dies ist Teil einer breiter angelegten Bewegung gegen die anhaltende politische Einflussnahme Frankreichs in Senegal, die den Bürgern zunehmend als problematisch erscheint. Der Begriff Francafrique beschreibt dieses Spannungsfeld, das durch wirtschaftliche Abhängigkeiten und die Kritik an der Verwendung des CFA-Franc, einer Währung, die von Frankreich kontrolliert wird, geprägt ist.
Die Rolle der Tirailleurs Sénégalais
Ein weiterer bedeutsamer Aspekt des kolonialen Erbes sind die Tirailleurs Sénégalais, westafrikanische Kolonialtruppen, die für Frankreich in verschiedenen Kriegen kämpften. Trotz der Bezeichnung rekrutierten sich die Tirailleurs nicht nur aus Senegal, sondern aus ganz Französisch-Westafrika. Diese Truppen spielten eine zentrale Rolle im Ersten und Zweiten Weltkrieg, wobei viele senegalesische Soldaten oft hohe Verluste erlitten.
Die Tirailleurs Sénégalais wurden bereits 1857 gegründet und waren die ersten dauerhaften Einheiten schwarzer afrikanischer Soldaten unter französischer Herrschaft. Während des Ersten Weltkriegs wurden zehntausende von ihnen mobilisiert, von denen viele in wichtigen Schlachten wie an der Somme kämpften. Vier Jahre nach dem Ende des Krieges, 1919, trat ein Einberufungsgesetz in Kraft, das die allgemeine männliche Einberufung in Friedenszeiten regelte. Der Zweite Weltkrieg brachte eine ähnliche Mobilisierung, wobei afrikanische Soldaten oft ungerecht behandelt und diskriminiert wurden.
Der dramatische Schwellenpunkt dieses Vermächtnisses fand 1944 im Thiaroye-Massaker statt, als protestierende afrikanische Soldaten, die um Gerechtigkeit und Rückzahlungen baten, brutal niedergeschossen wurden. Solche historischen Ereignisse sind im kollektiven Gedächtnis der Senegalesen fest verankert und verdeutlichen den anhaltenden Kampf um Anerkennung und Gleichheit.
Angesichts dieser geschichtlichen Lasten stellt sich die Frage, wie tiefgreifend Veränderungen in der heutigen Gesellschaft tatsächlich sein können. Während Faye’s Plan bis 2050 auch wirtschaftliche Verbesserungen in den Fokus rückt, bleibt der Ruf nach einer echten Umgestaltung des Erbes und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit laut. Herausforderungen wie hohe Lebenshaltungskosten und anhaltende Jugendarbeitslosigkeit treiben den Diskurs voran und stellen weitere Anforderungen an die Dream-Administration, die von den Bürgern gewählt wurde, um eine neue Richtung einzuschlagen.