
Am Sonntag feiert die Oper „Tristan und Isolde“ im Theater Lübeck ihre Premiere. Regisseur Stephen Lawless wird die Inszenierung leiten und ist bekannt für seine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk von Richard Wagner. In einem Interview äußert Lawless, dass er Wagner zwar als bedeutenden Künstler anerkennt, jedoch nicht mit ihm treffen möchte. Wagner war eine umstrittene Persönlichkeit, die sich selbst als Genie feierte und auch antisemitische Texte verfasste. Diese Aspekte Wagners machen seine Werke bis heute zu einem komplexen Thema in der Theaterlandschaft.
Wagners Opern sind nach wie vor sehr beliebt, denn sechs seiner Werke zählten in der Spielzeit 2022/23 zu den 20 meistgespielten auf deutschen Bühnen. Während Lawless eine persönliche Verbindung zu Wagners Musik betont, die ihn schon als Teenager stark beeindruckte, wirft seine Antisemitismus-Debatte einen Schatten über die Aufführungen. Der Regisseur vergleicht Wagners Antisemitismus mit dem Frauenfeindlichkeit von Pablo Picasso und hinterfragt, wie künstlerische Meisterwerke in einem solchen Kontext präsentiert werden können.
Eine umstrittene Figur
Die Auseinandersetzung mit Wagners Antisemitismus ist ein zentrales Thema in der Wagner-Forschung. Sein bekanntestes antisemitisches Werk, „Das Judenthum in der Musik“, und auch andere Schriften sind bedeutende Beiträge zur Geschichte des Antisemitismus. Wagner spielte eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des deutschen und europäischen Antisemitismus, indem er stereotype Zuschreibungen und Vorurteile weiter propagierte. Seine Schriften und Ansichten spiegeln die Breite antisemitischer Vorurteile seiner Zeit wider und die Forschung ist sich uneinig darüber, inwieweit sich diese Ansichten auch in seinen Musikdramen niederschlugen. Wagner äußerte in einem Brief an König Ludwig II. von 1881 die jüdische Rasse als „gebornenen Feind der reinen Menschheit“.
Wagner war Hitlers Lieblingskomponist und seine Werke wurden während der NS-Zeit als Teil eines Staatskults propagiert. Trotz der missbräuchlichen Verwendung seiner Musik durch die Nationalsozialisten gibt es keine klaren Belege dafür, dass Hitler speziell auf Wagners Antisemitismus in der Wahrnehmung seiner Musik eingegangen ist, wie Historiker Saul Friedländer betont. Dennoch ist die Debatte um Wagners antisemitische Äußerungen von Bedeutung, da sie die Aufführung seiner Werke, insbesondere in Israel, kompliziert.
Kulturelle Unterstützung und Herausforderungen
Die Lübecker Theater Stiftung hat die Produktion von „Tristan und Isolde“ mit 25.000 Euro unterstützt, Teil eines größeren Engagements, das insgesamt 185.000 Euro für Theaterproduktionen und Sinfoniekonzerte umfasst. Diese Unterstützung gibt den Häusern die Möglichkeit, mit Werken von umstrittenen Komponisten umzugehen und gleichzeitig das Publikum zu ermutigen, über die historische und künstlerische Bedeutung nachzudenken. Lawless beschreibt Wagners Werke als modern, insbesondere in der Art und Weise, wie sie Sexualität behandeln und die Komplexität menschlicher Beziehungen thematisieren.
Die Richard-Wagner-Straße in Lübeck behält ihren Namen, während die Pfitznerstraße umbenannt wurde. Dies verdeutlicht die anhaltenden Diskussionen darüber, inwiefern die Ansichten von Künstlern wie Wagner in der heutigen Gesellschaft akzeptiert oder abgelehnt werden können. Die Kontroversen rund um Wagner setzen sich also fort und erfordern ein sensibles Herangehen an seinen künstlerischen Erbe. Die Verknüpfung von Kunst und den moralischen Herausforderungen, die mit Wagners Leben und Werk einhergehen, bleibt ein zentrales Thema für die kommende Inszenierung.