
Ein neuer Forschungsansatz an der Universität Bremen zielt darauf ab, die politischen Debatten rund um die Maßnahmen der EU zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedstaaten zu beleuchten. Im Rahmen des Projekts mit dem Titel „The Domestic Politics of EU Action against Democratic Backsliding“ (DEUDEM) wird untersucht, wie demokratisch gewählte Regierungen in den letzten zwei Jahrzehnten in mehreren EU-Staaten, darunter Ungarn und Polen, politische Rechte einschränken.
Die Forschungsarbeit wird erstmals die Reaktionen politischer Parteien in sechs EU-Mitgliedstaaten – Ungarn, Polen, Slowakei, Deutschland, Niederlande und Österreich – analysieren. Die Untersuchung wird sowohl qualitative als auch quantitative Forschungsmethoden umfassen, um ein umfassendes Bild der politischen Auseinandersetzungen in der EU zu erhalten. Das Projekt wird von der WEAVE-Förderlinie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt und soll bis 2028 durchgeführt werden.
Herausforderungen der Demokratie in der EU
Kritische Stimmen haben die EU seit ihrer Gründung mit dem Vorwurf der Demokratiedefizite konfrontiert. Diese Defizite manifestieren sich in verschiedenen Bereichen, darunter das Missverhältnis zwischen den institutionellen Strukturen der EU und den Einflussmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. Politikwissenschaftlerin Sophie Pornschlegel hebt hervor, dass die EU durch das Europaparlament und den Europäischen Rat doppelt legitimiert sei. Dennoch führen unterschiedliche Machtinteressen der Mitgliedstaaten oft zu institutionellen Problemen und Konflikten.
Ein strukturelles Problem, wie die Bertelsmann-Stiftung erläutert, ist das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit, die es den Bürgern erleichtern würde, sich über europäische Themen zu informieren. Somit finden viele Diskussionen nur im nationalen Rahmen statt, wodurch die europäische Perspektive vernachlässigt wird. Dies zeigt sich auch in der Medienberichterstattung, die stark national geprägt ist, während die Bedeutung der EU als Friedensprojekt über die Jahre abgenommen hat.
Einfluss der COVID-19-Pandemie
Zusätzlich zur grundsätzlichen Problematik der Demokratie innerhalb der EU stellt die COVID-19-Pandemie einen weiteren Stresstest für die Regierungen weltweit dar. Viele Regierungen haben während der Pandemie außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen, die zwar dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienten, jedoch auch das Potenzial haben, grundlegende demokratische Rechte weiter einzuschränken. Das Risiko ist hoch, dass Politiker:innen versuchen könnten, durch diese Maßnahmen ihre exekutiven Befugnisse dauerhaft zu erweitern, was liberal-demokratische Normen untergraben könnte.
Das bevorstehende Wahljahr 2024, in dem rund 350 Millionen Menschen in Europa wahlberechtigt sind, könnte eine Gelegenheit bieten, diese Themen vertieft zu diskutieren. Doch die Herausforderungen der unterschiedlichen Demokratiedefizite müssen angegangen werden, um die Integrationsbereitschaft der Mitgliedstaaten zu fördern und die nötigen Kompetenzen für die EU zu schaffen, damit sie zukünftige globale Herausforderungen bewältigen kann.
Das Forschungsprojekt aus Bremen wird einen wertvollen Beitrag zur Analyse dieser komplexen Themen leisten und möglicherweise Ansätze zur Stärkung der Demokratie in der EU aufzeigen, die essentielle Veränderungen im politischen Diskurs anstoßen könnten.
Weitere Informationen zu den Hintergründen und aktuellen Entwicklungen finden Sie in den Beiträgen von uni-bremen.de, rbb24.de und bertelsmann-stiftung.de.