
Eine neue Untersuchung der Sedimentkerne im ägäischen Raum hat bedeutende Einblicke in die frühesten menschlichen Einflüsse auf die Umwelt und das Ökosystem der Region gegeben. Laut der Universität Heidelberg haben internationale Forscher über 14 Sedimentkerne aus dem Boden und dem küstennahen Umland des Ägäischen Meeres entnommen. Diese Forschung zielt darauf ab, die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten über die letzten 11.500 Jahre zu rekonstruieren und bietet eine historische Perspektive auf den sozialen und ökologischen Wandel seit der Antike.
Besonders bemerkenswert ist der Nachweis von Bleikontamination. Ein Torfmoorkern lieferte Hinweise auf die früheste bekannte Umweltverschmutzung durch Blei, datiert auf vor etwa 5.200 Jahren. Dies ist signifikant, da es 1.200 Jahre älter ist als das bisher älteste dokumentierte Beispiel für menschlich verursachte Kontamination durch Schwermetall. Der Nachweis steigender Bleikonzentrationen ist nicht nur alarmierend, sondern dient auch als Indikator für sozioökonomische Veränderungen in der Region.
Einfluss der menschlichen Aktivitäten
Die Analyse der Sedimentkerne zeigt einen signifikanten Anstieg der Bleikonzentration vor etwa 2.150 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war eine starke Rodung der Wälder und ein Anstieg der landwirtschaftlichen Nutzung zu beobachten. Dies fiel mit der Eroberung des hellenistischen Griechenlands durch die Römer zusammen, die den Abbau von Gold, Silber und anderen Metallen vorantrieben und damit einen erheblichen Bedarf an Holz für die Erzgewinnung und -verhüttung schufen. Die Ergebnisse belegen, dass diese Eroberungen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Aktivitäten in direktem Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung stehen.
Die Sedimentkernschnitte enthalten auch wertvolle Informationen über die Vegetationsentwicklung in der Region. Wissenschaftler verwendet Pollenanalysen, um Rückschlüsse auf die Arten der Nutzung des Landes und die damit verbundenen Veränderungen im Ökosystem zu ziehen. Der Verlust der Wälder und die Zunahme landwirtschaftlicher Flächen haben nicht nur die lokale Flora beeinflusst, sondern auch die Artenvielfalt in marinen Lebensräumen gefährdet.
Wechselwirkungen zwischen Klima und Kultur
Das Forschungsteam, das aus Heidelberger Archäologen, Geographen sowie Partnern aus Griechenland, Frankreich und den USA besteht, hat auch für zukünftige Expeditionen, welche mit den Forschungsschiffen METEOR und AEGAEO durchgeführt werden, wichtige Ziele definiert. Diese Expeditionen werden nicht nur von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sondern auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Die Erkenntnisse aus den Sedimentkernen sollen neue Perspektiven auf die Wechselwirkungen zwischen Klima-, Umwelt- und Kulturwandel bringen.
Besonders interessant ist die Verbindung zwischen Klimabedingungen und dem sozioökonomischen Wandel in der Ägäis. Forschende möchten untersuchen, welche klima- und umweltbedingten Veränderungen in der Bronzezeit und deren Geschichtseffekte auf die Kulturen in der Region stattgefunden haben. Frühere Studien zeigen, dass Menschen in der Antike bereits erheblich in ihre Umwelt eingegriffen haben, was durch die erhöhte Bleikonzentration in den Sedimentkernen belegt wird.
Zusätzlich zu den lokalisierten Änderungen hat der Klimawandel auch langfristige, überregionale Effekte. So berichtete die Europäische Umweltagentur, dass sich die klimatischen Bedingungen in Europa drastisch verändern, mit dem Anstieg extremen Wetters, sich verändernden Niederschlagsmustern und dem Risiko von Dürreperioden. Diese Entwicklungen sind nicht nur eine Herausforderung für gegenwärtige Gesellschaften, sondern verweisen auch auf die langfristige Anfälligkeit historischer Kulturen gegenüber Klimaveränderungen und ihre direkte Abhängigkeit von stabilen Umweltbedingungen.
Insgesamt zeigen die aktuellen Forschungsergebnisse sowohl die weitreichenden Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf Ökosysteme in der Antike als auch die unterschätzte Rolle, die Klimafaktoren und ökologische Veränderungen in der Entwicklung früher Kulturen gespielt haben. Der gesamte Forschungsprozess wird im Detail in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht.