
Obwohl das dramatische Chaos am Flughafen Kabul im August 2021 noch frische Wunden in der kollektiven Erinnerung der Welt hinterlässt, gerät der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zunehmend in Vergessenheit. Diese Einschätzung teilt die Dewezet, die darauf hinweist, dass tausende Afghanen vor der dschihadistischen Taliban flohen, während andere tragischerweise aus startenden Maschinen stürzten. Der überraschende Sieg der Taliban über ein westliches Militärbündnis beleuchtet die unzureichenden Vorbereitungen der Bundesregierung, die keinen umfassenden Lagebericht zur Situation im Land hatte. Insbesondere Frauen in Afghanistan leiden unter den Konsequenzen des westlichen Versagens.
Im Sommer 2022 setzte der Bundestag eine Enquete-Kommission sowie einen Untersuchungsausschuss ein, um aus dem Afghanistan-Einsatz zu lernen. Die erarbeiteten Empfehlungen sind jedoch kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert. Ein zentrales Ergebnis der Kommission ist die Dringlichkeit eines ressortübergreifenden Lagebildes zur frühzeitigen Erkennung von Krisen.
Schwierigkeiten beim Lernen aus Fehlern
Ursula Schröder, eine bekannte Friedensforscherin aus Hamburg, äußerte, dass der 20-jährige Einsatz in Afghanistan für die Bevölkerung und Deutschlands Rolle „sehr, sehr wenig“ Positives gebracht habe. Der Abschlussbericht der Bundestags-Enquetekommission, der kürzlich verabschiedet wurde, enthält 72 Empfehlungen, die einstimmig angenommen wurden. Dies geschah trotz abweichender Sondervoten der Fraktionen. Die Kommission setzte sich aus 22 Mitgliedern zusammen, die zur Hälfte aus Abgeordneten aller Fraktionen und zur anderen Hälfte aus Sachverständigen bestanden. Dies zeigt, dass Einigkeit über die Notwendigkeit von Reformen im Bereich zukünftiger Auslandseinsätze besteht, auch wenn nicht in dem Umfang wie in Afghanistan.
Die Grüne-Abgeordnete Schahina Gambir drängt darauf, dass Deutschland aus dem Afghanistan-Einsatz lernen muss. Die Kommission hat die deutsche Afghanistan-Politik als strategisches Scheitern eingestuft. Insbesondere der Mangel an „Landeskenntnis und Konfliktverständnis“ wurde kritisiert. Während viele Mittel in den Bundeswehreinsatz flossen, war der zivile Wiederaufbau unterfinanziert.
Empfehlungen für zukünftige Einsätze
Die Enquete-Kommission fordert eine gleichwertige Berücksichtigung ziviler und militärischer Instrumente, eine kohärente Strategie und klare, überprüfbare Ziele für künftige Einsätze. Militärhistoriker warnen, dass Strategien oft bei ersten Konflikten scheitern; das erlebte Scheitern in Afghanistan kann auf mangelnden Sachverstand und Realitätsverleugnung zurückgeführt werden.
Die Forderung nach besserer Einbeziehung afghanischer Stimmen und der Wissenschaft in zukünftige Planungen steht ebenfalls im Raum. Ein zentrales Anliegen der Kommission ist die klare Kommunikation der Bundesregierung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit. Dabei wird auch die Notwendigkeit eines Nationalen Sicherheitsrats diskutiert, obwohl sich die Meinungen darüber innerhalb des Bundestages spalten – Union und AfD befürworten eine solche Institution, während Grüne und SPD ablehnen.
Der Bericht stellt fest, dass der Bundestag eine Mitverantwortung für das Scheitern in Afghanistan trägt. Die künftige Bundesregierung wird dazu aufgerufen, aus den Lehren der Vergangenheit für die deutsche Afghanistan-Politik zu lernen. Afghanistan behält trotz der Veränderungen im Land geostrategisch Relevanz; die Grüne und SPD fordern humanitäre Hilfe und ein Verbindungsbüro in Kabul. Die CDU hingegen sieht keine signifikante Bedrohung für ehemalige afghanische Regierungsmitarbeiter oder Ortskräfte.
Weitere Details zu den Empfehlungen und den Arbeiten der Enquete-Kommission können unter Bundestag nachgelesen werden.