
Die Festsetzung des Öltankers „Eventin“ vor Rügen hat jüngst Bedenken hinsichtlich der ökologischen Risiken im Zusammenhang mit Russlands Schattenflotte aufgeworfen. Der Tanker, der fast 100.000 Tonnen Öl transportierte, wurde vor mehr als einer Woche in der Ostsee gesichert und nach Sassnitz geschleppt. Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat bislang keine Hinweise auf Straftaten entdeckt, die Zollprüfungen laufen jedoch weiter. Dabei wird untersucht, ob das Öl vom „Eventin“ aus Russland stammt und ob das EU-Öl-Embargo verletzt wird. „Vorfälle dieser Art sind in der EU weitgehend neu“, erklärt der Sanktionsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Sascha Lohmann, der zwischen 2022 und 2023 das Auswärtige Amt in Sanktionsfragen beriet. Er warnt davor, dass die Schiffe der Schattenflotte als „ökologische Zeitbomben“ fungieren, da viele von ihnen älter als 15 Jahre sind und nicht versichert werden.
Das zunehmende Aufeinandertreffen von Umweltgefahren und geopolitischen Spannungen im Kontext des Ukraine-Konflikts führt die EU zu der Einführung von immer strengeren Sanktionen. Lohmann erwartet nicht, dass das Übergewicht des Öls beschlagnahmt wird, vielmehr könnten möglicherweise Strafzahlungen für die Crew-Mitglieder verhängt werden; ein Beispiel für solche Strafen gibt es im Fall des Schiffs „Atlantic Navigator II“, das nach dem Anlegen mit sanktioniertem Holz in Rostock eine Geldstrafe von 8.000 Euro zahlen musste.
Schattenflotte und geopolitische Spannungen
Die Schattenflotte Russlands besteht aus Tankern, die vorwiegend zur Umgehung westlicher Sanktionen eingesetzt werden. Während die USA bereits Erfahrung im Umgang mit Sanktionen gegen Länder wie Iran und Nordkorea haben, gelten die gegen Russland als präzedenzlos bezüglich Umfang und Intensität. Diese Schiffe exportieren Rohöl über Pipelines, insbesondere nach China, sowie durch diverse Tanker der Schattenflotte. Alexandar Prokopenko, ehemalige Beraterin der russischen Zentralbank, führt an, dass diese Schattenflotte aus Protest gegen die westlichen Sanktionen entstanden ist und auf die Nachfrage von Ländern wie Indien und China angewiesen ist.
Die kürzlich eingeführten Sanktionen der USA umfassen Maßnahmen gegen 183 Öltanker, die im letzten Jahr mehr als 530 Millionen Barrel russisches Rohöl transportierten – was etwa 42% der gesamten Seexporte ausmacht. Besonders betroffen sind auch die großen russischen Ölkonzerne Gazprom Neft und Surgutneftegas. Trotz dieser Sanktionen meldet Russland steigende Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen, die 2024 um 26% auf 11,13 Billionen Rubel (107 Milliarden Euro) gewachsen sein sollen.
Langfristige Auswirkungen der Sanktionen
Allerdings zeigen die langfristigen Effekte auf die russische Wirtschaft, dass Sanktionen wie die Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel und das Verbot der Versicherung von russischen Öllieferungen Druck auf die wirtschaftliche Stabilität Russlands ausüben. Experten sehen eine mögliche Druckentwicklung, die Russlands Gewinnmargen verringert und die Kosten erhöht. Prokopenko ist sich sicher, dass die Sanktionen Einfluss auf die russische Wirtschaft haben, auch wenn ein sofortiger Zusammenbruch nicht zu erwarten ist. Der Kreml wird vor Herausforderungen stehen, sowohl bezüglich der bestehenden Liefermengen als auch damit, wie die Preisobergrenze eingehalten werden kann.
Die Kontrolle über die Schifffahrtswege erhöht zudem das Eskalationspotenzial zwischen Russland und den westlichen Ländern, wobei Lohmann auf einen vorangegangenen Vorfall zwischen einem Bundeswehr-Hubschrauber und einem russischen Schiff hinweist, das mit Signalmunition feuerte. Während die EU sich auf verschiedene Strategien zur Bekämpfung der Schattenflotte und der damit verbundenen Herausforderungen konzentriert, bleibt abzuwarten, wie Russland auf die zunehmenden internationalen Druckformen reagieren wird.