
Am 13. Januar 2025 äußerte der CDU-Chef Friedrich Merz Skepsis gegenüber der aktuellen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. In einer umfangreichen Diskussion über die Herausforderungen der deutschen Industrie, insbesondere im Hinblick auf die Stahlproduktion, betonte Merz, dass ein schneller Übergang zu wasserstoffbetriebenen Stahlwerken unrealistisch erscheine. Ihm zufolge verfügt Deutschland nicht über genügend Wasserstoff, um die ambitionierten Klimaziele effizient zu erreichen. Zudem nannte er die Mehrkosten von 300 Euro pro Tonne Wasserstoffstahl im Vergleich zu herkömmlichem Stahl als erhebliches Hemmnis für die Industrie. Diese Äußerungen sorgten für heftige Kontroversen innerhalb der politischen Landschaft Deutschlands.
In der Stahlindustrie, die für rund 6 % der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist, besteht ein dringender Bedarf nach einer nachhaltigen Transformation. Bei der traditionellen Stahlproduktion, die über Hochofen-Konter-Methoden erfolgt, entstehen massive CO2-Emissionen, da Eisenerz bei Temperaturen von bis zu 2.200 °C mit Koks und Kohle geschmolzen wird. Diese konventionelle Methode produziert bis zu 1,7 Tonnen CO2 pro Tonne erzeugten Stahl. Hier könnte grüner Wasserstoff, erzeugt aus erneuerbaren Energien, eine entscheidende Rolle spielen, um die CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren.
Politische Reaktionen
Merz’ Aussagen stießen auf breite Kritik. Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, bezeichnete die Skepsis Merz’ als schädlich für die Industrie und die Stahlarbeiter. Jürgen Kerner, ein wichtiger Vertreter der IG Metall, wies darauf hin, dass die Produktion von grünem Stahl entscheidend für den Erhalt von Zehntausenden Arbeitsplätzen sei. Kanzler Olaf Scholz warnte eindringlich vor den gefährlichen Konsequenzen einer fehlenden staatlichen Förderung für den Umstieg auf grünen Stahl.
IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler stellte klar, dass günstige grüne Energie unerlässlich für die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie sei. Die CSU hat in einer Beschlussvorlage sogar vorgeschlagen, den Fokus stärker auf CO₂-Abscheidung und -speicherung zu lenken, während auch Vertreter von CDU und CDA die Notwendigkeit einer wettbewerbsfähigen Herstellung von grünem Stahl betonten.
Technologische Entwicklungen
Trotz der politischen Auseinandersetzungen gibt es bedeutende Fortschritte in der Umsetzung von Wasserstofftechnologien in der Stahlbranche. So plant Thyssenkrupp Steel, eine Direktreduktionsanlage in Duisburg zu bauen, die bis Ende 2026 fertiggestellt werden soll. Diese Anlage hat das Potenzial, 3,5 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen und wird mit einer Förderung von zwei Milliarden Euro unterstützt, wobei 700 Millionen Euro von der CDU-geführten Landesregierung bereitgestellt werden. Thyssenkrupp nutzt bereits die Carbon2Chem-Technologie, um Hüttengase in neue Rohstoffe umzuwandeln und plant, Wasserstoff anstelle von Kohle im Hochofenprozess zu verwenden, mit dem Ziel, eine CO₂-Einsparung von etwa 20 % zu realisieren.
Ferner verfolgt die Salzgitter AG das Projekt WindH2, das die Entwicklung eines eigenen Wasserstoffproduktionsverfahrens zum Ziel hat. Das Unternehmen testet auch innovative Hochtemperaturelektrolyseverfahren zur Wasserstoffproduktion unter Nutzung von Abwärme aus der Stahlproduktion.
Herausforderungen und Ausblick
Trotz der vielversprechenden Entwicklungen stehen die Unternehmen vor großen Herausforderungen, insbesondere wegen der hohen Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff sowie der begrenzten Marktverfügbarkeit. Die Stahlbranche, die für ca. 200 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr verantwortlich ist, muss sich einer umfassenden Transformation stellen. Um die Industrie nachhaltig zu entlasten, sind politische Maßnahmen notwendig, die den Ausbau erneuerbarer Energien und die damit verbundene Infrastruktur vorantreiben.
Die Diskussionen über die Wasserstoffstrategie und die Energiewende bleiben angespannt, während Stakeholder in der Industrie und der Politik nach Lösungen suchen, um den Übergang zur CO₂-neutralen Stahlproduktion zu ermöglichen. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie im globalen Kontext zu sichern.