
In Syrien hat sich am 8. Dezember 2024 ein bedeutender Machtwechsel vollzogen, der das Ende der jahrzehntelangen Assad-Diktatur markiert. Ahmad al-Scharra, vormals bekannt als Mohammed al-Dscholani, führt nun die Islamistentruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und steht vor der Herausforderung, das Land aus den Trümmern des Bürgerkriegs zu führen. Al-Scharra präsentiert sich pragmatisch und hat die Durchführung freier Wahlen sowie den Schutz für Minderheiten versprochen. Doch dieser neue Kurs stößt auf Skepsis.
Besonders religiöse und ethnische Minderheiten äußern große Bedenken. Kamal Sido von der Gesellschaft für bedrohte Völker warnte eindringlich vor einer potenziellen Islamisierung Syriens und der Einführung der Scharia. Minderheiten wie Jesiden, Assyrer, Drusen, Armenier, Tscherkessen, Juden und Kurden befürchten um ihr Überleben im neuen politischen Klima. Alawiten sehen sich möglicherweise Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt, da sie als Verbündete des ehemaligen Regimes gelten.
Ängste der Minderheiten
Ein Hauptausdruck der Besorgnis ist die Zunahme von Übergriffen und Morden an Minderheiten durch HTS und die Syrische Nationalarmee. Es gibt alarmierende Berichte über eine Welle von Gewalt gegen jesidische Zivilisten in Aleppo, die Gohdar Alkaidy dokumentiert hat. Die Jesiden sind eine verfolgte religiöse Minderheit mit mehreren Hunderttausend Angehörigen, die vor allem in Syrien, dem Irak und der Türkei leben. Der Bundestag hatte bereits 2023 den Völkermord an den Jesiden durch den IS anerkannt, was zusätzliche Druck auf die neuen Machthaber ausübt.
Al-Scharra hat in einem Interview erklärt, dass die neuen Wahlen in Syrien möglicherweise bis zu vier Jahre in Anspruch nehmen könnten, und dass das Verfassen einer neuen Verfassung bis zu drei Jahre dauern könnte. Diese Zeitpläne stellen einen ersten Rahmen zur Stabilisierung des Landes dar, seit HTS die Offensive gegen das Assad-Regime geleitet hat. Al-Scharra kündigte an, HTS werde auf einem bevorstehenden nationalen Dialogkonferenz „aufgelöst“, allerdings bleiben viele Fragen zur künftigen Governance des multi-ethnischen Landes offen.
Die Vielfalt Syriens
Syrien ist ein Land mit einer komplexen Zusammensetzung von ethnischen und religiösen Gruppen. Sunniten machen den Hauptanteil der Bevölkerung aus, gefolgt von Alawiten, die mit dem Herrscherhaus al-Assad verbunden sind. Historisch war Syrien auch ein Zentrum des Christentums, das vor dem Bürgerkrieg etwa 7% der Gesamtbevölkerung stellte, einschließlich der syrisch-orthodoxen und griechisch-orthodoxen Kirchen.
Die Kurden stellen die zweitgrößte ethnische Gruppe dar und haben während des Bürgerkriegs in Nord- und Ostsyrien (Rojava) eine autonome Verwaltung etabliert. Die Drusen, eine eigenständige Religion, lehnen Missionierung ab und stellen ebenfalls eine bedeutende Gemeinschaft dar. Obgleich die neue Führung von HTS verspricht, die Rechte und Freiheiten von Minderheiten zu schützen, bleibt die Sorge um deren Sicherheit und Wahrung ihrer Identität in der neuen politischen Landschaft bestehen.
Aktuell sind Berichte über Razzien gegen Assad-Anhänger in den letzten Wochen aufgetaucht, bei denen nahezu 300 Personen verhaftet wurden. Diese Maßnahmen, die unter der Zusammenarbeit lokaler Bevölkerungen durchgeführt wurden, zielen auf Informanten und ehemalige Regimeangehörige ab. Die Ungewissheit über die Zukunft Syriens und die Gefahr einer neuen Welle der Verfolgung stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für die bereits ächzenden Minderheiten dar, die sich in dieser Zeit des Wandels befinden.
Der bevorstehende nationale Dialog und die von Al-Scharra angekündigten Schritte könnten entscheidend für die Stabilität und den Schutz der verschiedenen Volksgruppen in Syrien sein, jedoch fühlen sich viele angesichts der jüngsten Entwicklungen verunsichert und in Gefahr.
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