
In der aktuellen Debatte über die Anerkennung von Fortbildungszeiten als Arbeitszeit stellt sich für viele Arbeitnehmer die zentrale Frage: Gilt eine Weiterbildung als Arbeitszeit oder nicht? Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ihre Mitarbeitenden zu Seminaren und Fortbildungen zu verpflichten, doch die jeweilige Einstufung ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Laut den Experten von der FAZ hängt die Feststellung, ob die Teilnahme als bezahlte Arbeitszeit zählt, maßgeblich von der Notwendigkeit der Weiterbildung ab.
Wenn die Fortbildung für die Ausübung des Jobs erforderlich ist, wird sie üblicherweise als Arbeitszeit anerkannt. Ein typisches Beispiel hierfür sind Schulungen zu neuen Technologien oder Methoden, wie etwa dem Einsatz von KI-Tools. Anders sieht es aus, wenn die Weiterbildung nicht zwingend notwendig ist, wie etwa eine Buchhalterin, die sich zur Finanzanalystin weiterbilden möchte. In solchen Fällen hängt die Einstufung oft von individuellen Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ab.
Vielfalt der Regelungen
Der Rahmen für die Gestaltung dieser Regelungen ist umfangreich und variiert stark von Unternehmen zu Unternehmen. Arbeitgeber können beispielsweise eine teilweise bezahlte Freistellung während der Weiterbildung anbieten. Auch die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber ist eine gängige Praxis, während die Mitarbeitenden oft ihre Freizeit für die Fortbildung investieren müssen.
Ein entscheidender Punkt ist, dass Arbeitgeber nicht verlangen dürfen, dass ihre Mitarbeitenden außerhalb der regulären Arbeitszeit an Weiterbildungen teilnehmen. Dies ist besonders wichtig, um die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu wahren und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dennoch gibt es viele individuelle Gestaltungen in der Praxis, die einer einheitlichen Regelung entbehren. So können Kurse an bestimmten Wochentagen als Arbeitszeit vergütet werden, während Fortbildungsangebote am Wochenende oft in die Freizeit fallen.
Rechtlicher Kontext
Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Fortbildung stellen ebenfalls eine zentrale Diskussionsgrundlage dar. Die Acquisa führt aus, dass für Fortbildungsstunden, die im dienstlichen Interesse des Arbeitgebers durchgeführt werden, diese als Arbeitszeit gelten müssen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) unterscheidet hierbei nicht zwischen regulärer Arbeitszeit und Freizeit.
In vielen Unternehmen gibt es tarifvertragliche Regelungen, die die durchschnittliche Arbeitszeit für Fortbildung auf etwa 1 bis 2 Tage pro Jahr festlegen. Dies kann je nach Branche und Vereinbarungen variieren. Arbeitnehmer haben zudem Anspruch auf die übliche Vergütung während der Fortbildung, vorausgesetzt, die Teilnahme ist verpflichtend und die Mitarbeitenden bringen sich aktiv ein.
Die Rolle des Kündigungsschutzes
Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird, ist der Kündigungsschutz während arbeitgeberfinanzierter Fortbildungen. Hier genießen Mitarbeitende besonderen Schutz, sofern die Fortbildung direkt mit ihrem Beruf in Verbindung steht. Dagegen führt eine selbstfinanzierte Fortbildung nicht automatisch zu einem besonderen Kündigungsschutz.
Arbeitnehmer, die an Fortbildungen teilnehmen, haben auch Pflichten zu beachten. Dazu zählen Pünktlichkeit, die Einhaltung betrieblicher Richtlinien und die Vertraulichkeit gegenüber internen Informationen. Im Falle einer vorzeitigen Kündigung kann außerdem eine Rückzahlungsverpflichtung für die Fortbildungskosten im Arbeitsvertrag oder einer Zusatzvereinbarung festgelegt sein.
Die Frage, ob Fortbildung als Arbeitszeit oder Freizeit gilt, bleibt also komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist wichtig, die jeweiligen rechtlichen Grundlagen und die spezifischen Regelungen im Unternehmen sorgfältig zu prüfen, um Missverständnisse zu vermeiden und die eigenen Rechte zu wahren.