
In Riesa, Sachsen, gingen am vergangenen Freitag die Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag in eine neue Runde. Über 10.000 Menschen, laut Veranstaltern sogar bis zu 15.000, demonstrierten gegen die rechtspopulistische Partei. Die Situation eskalierte, als Linken-Politiker Nam Duy Nguyen, der als parlamentarischer Beobachter gekennzeichnet war, von einem Polizisten bewusstlos geschlagen wurde. Nguyen, ein Landtagsabgeordneter, berichtete, dass sein Team und er am Rande eines Polizeieinsatzes angegriffen wurden, obwohl sie ihren Status den Beamten mitgeteilt hatten. Er erstattete Anzeige und wurde in der Uniklinik Leipzig behandelt, konnte jedoch am selben Abend die Klinik wieder verlassen. Neben Schmerzen im Mundraum erlitt sein Begleiter ein „Veilchen“ durch die Auseinandersetzung.
Die Polizeidirektion Dresden hat ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet. Polizeipräsident Lutz Rodig bedauerte den Vorfall und versprach eine eingehende Überprüfung. Sachsens Innenminister Armin Schuster betonte die Notwendigkeit, bei der Einsatzauswertung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das Aktionsbündnis „Widersetzen“ kritisierte die Verwendung von Schlagstöcken und Pfefferspray, die sie als unverhältnismäßig einstufen. Rodig hingegen wies darauf hin, dass der Polizeieinsatz nötig war, um das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.
Großdemonstrationen und Polizeieinsatz
Die Proteste gegen den AfD-Parteitag begannen bereits am frühen Morgen. Zahlreiche Demonstranten, die mit über 200 Bussen und einem Zug angereist waren, versuchten, die Polizeiketten zu durchbrechen. Dies führte zu ersten Auseinandersetzungen gegen 7:38 Uhr. Trotz der Bemühungen der Polizei, die Sprecherin des Aktionsbündnisses zu überzeugen, blieben viele Straßen blockiert, einschließlich der Bundesstraße 169.
Der Polizeieinsatz wurde als besonders robust beschrieben. Sechs Polizisten wurden leicht verletzt, und insgesamt wurden 34 Straftaten, darunter Körperverletzung und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, registriert. Rodig zog eine positive Bilanz des Einsatzes, da der Parteitag letztlich stattfand, wenngleich mit rund zwei Stunden Verspätung, wodurch der AfD die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Wiederwahl zu organisieren. Alice Weidel, die als Kanzlerkandidatin gewählt wurde, geriet während ihrer Rede in den Fokus der gegnerischen Demonstranten, die sie als „rot lackierte Nazis“ bezeichneten.
Kontext der Polizeigewalt
Vorfälle wie die Attacke auf Nguyen werfen ein grelles Licht auf das Thema Polizeigewalt in Deutschland, das seit dem Fall George Floyd stärker diskutiert wird. Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt am Main thematisiert Polizeigewalt, definiert sie als übermäßige oder unangemessene Gewaltanwendung durch Beamte. Die häufigsten Formen dieser Gewalt sind Schläge, Tritte und unrechtmäßige Festnahmen, oft bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen.
Die Ursachen für Polizeigewalt sind vielschichtig und reichen von mangelhafter Kommunikation über Stress bis hin zu diskriminierenden Verhaltensweisen von Polizeibeamten. Um Polizeigewalt zu reduzieren, wurden Empfehlungen für Reformen in der Polizeiausbildung ausgesprochen, einschließlich der Förderung von intersektionalen und rassismuskritischen Ansätzen. Eine transparente Erfassung von Polizeigewalt wird ebenso gefordert, um eine öffentliche Debatte zu fördern und das Vertrauen in die Polizeiarbeit zu stärken.
Die Ereignisse in Riesa haben erneut die Debatte über den Umgang der Polizei mit Demonstranten befeuert. Es bleibt abzuwarten, ob die Forderungen nach mehr Transparenz und Reformen in der Polizeistruktur Gehör finden werden.