
Über 60 deutschsprachige Hochschulen und Forschungsinstitutionen haben entschieden, ihre Präsenz auf der Plattform X, vormals Twitter, zu beenden. Diese Entscheidung, die am 10. Januar 2025 bekanntgegeben wurde, folgt der Einschätzung, dass die Unternehmensausrichtung der Plattform nicht mit den Grundwerten der Institutionen vereinbar ist. Dazu zählen Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und der demokratische Diskurs, wie Universität Mainz berichtet.
Die Gründe für diesen weitreichenden Rückzug sind vielfältig. Auffällig ist insbesondere die algorithmische Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte sowie die Einschränkung der organischen Reichweite auf der Plattform X. Diese Veränderungen führen dazu, dass viele Hochschulen nicht mehr in der Lage sind, ihre Zielgruppen effektiv zu erreichen. So haben die Tweets der Goethe-Universität Frankfurt zuletzt eine dreistellige Zahl von Nutzern erreicht, obwohl über 30.000 Follower vorhanden sind, wie Tagesspiegel berichtet.
Kollektiver Rückzug der Hochschulen
Die Betroffenen umfassen große Universitäten in mehreren Bundesländern, unter anderem die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität Münster und die RWTH Aachen. Besonders signifikant ist, dass in der gesamten Stadt Berlin keine Universität mehr auf X vertreten sein wird, da sowohl die Freie Universität als auch die Technische Universität bereits vorher ihre Konten gelöscht haben. Auch alle Universitäten im Land Brandenburg, darunter die Universität Potsdam und die Brandenburgische Technische Universität, haben sich dem kollektiven Rückzug angeschlossen.
Der Austritt von über 60 Institutionen aus der Plattform X steigert die Bedeutung faktenbasierter Kommunikation und signalisiert einen klaren Standpunkt gegen antidemokratische Kräfte. Die Hochschulen betonen, dass sie spätestens jetzt den Fokus der Wissenschaftskommunikation auf andere soziale Netzwerke richten wollen und nicht ausschließen, dass sie ihre Kommunikation in der Zukunft anpassen, um wieder mehr Menschen zu erreichen.
Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation
Die Entwicklungen auf Plattform X werfen jedoch grundlegende Fragen zur Wissenschaftskommunikation auf. Soziale Medien haben in den letzten Jahren nicht nur neue Akteure hervorgebracht, sondern auch eine Vielzahl an antiaufklärerischen Inhalten und Verschwörungsmythen begünstigt, wie die Analyse von Academia.edu zeigt. Wissenschaftliche Diskussionen werden zunehmend emotionalisiert, was in vielen Fällen zur Polarisierung und sogar Radikalisierung von Communitys führt.
Die Entscheidung der Hochschulen, sich von X zurückzuziehen, reflektiert eine grundlegende Krise in der digitalen Kommunikation der Wissenschaft. Während die akademischen Institutionen ihrer Verantwortung für eine sachliche und faktenbasierte Kommunikation nachkommen wollen, stehen sie gleichzeitig vor der Herausforderung, wie sie in einer Welt, in der soziale Medien eine dominierende Rolle einnehmen, weiterhin glaubwürdig und effektiv kommunizieren können.
Die Aufmerksamkeit wird nun darauf gerichtet, wie diese Hochschulen ihre Kommunikationsstrategien anpassen, um die Verbreitung wissenschaftlicher Inhalte zu fördern und gleichzeitig den Druck von Plattformen zu entkommen, die nicht mehr den Grundwerten der Wissenschaft entsprechen.