
Die Situation um die Dommusik im Freiburger Münster ist angespannt und von internen Konflikten geprägt. Der Streit um die Kündigung des Domkapellmeisters Boris Böhmann hat zu weitreichenden Konsequenzen für die Sängerinnen und Sänger des Domchors geführt. Aktuell können viele von ihnen aufgrund der „Verletzungen, Enttäuschungen und Verunsicherungen“ der vergangenen Monate nicht an Proben und Gottesdiensten teilnehmen. Diese Ereignisse endeten in einem Eklat während der Christmette am Heiligabend, als Böhmann nach einem Lied der Domsingknaben mit fünfminütigem Applaus bedacht wurde.
Erzbischof Stephan Burger unterbrach den Gottesdienst, nachdem Unruhe und Gelächter aufkamen, während er den Schlusssegen erteilen wollte. Auch die Liveübertragung wurde abgebrochen. Laut einem Sprecher der Erzdiözese war die Unruhe nach der Kündigung eines langjährigen Chorleiters nachvollziehbar, jedoch wurde die Protestaktion als „zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“ kritisiert. Die Kündigung wurde zum Thema einer Petition, die, durch Flugblätter mit QR-Code verteilt, die Rücknahme der Entscheidung forderte.
Hintergrund der Kündigung
Die Situation rund um die Kündigung von Böhmann, die bis Ende Februar 2025 wirksam wird, hat eine lange Vorgeschichte. Diese ist geprägt von internen Streitereien in der Domsingschule und gescheiterten Versuchen zur Schlichtung. Der Erzbischof verteidigte die Kündigung als „letzten Ausweg“ nach jahrelangen Konflikten. Obwohl Einzelheiten zu den Gründen der Kündigung aus Datenschutzgründen nicht erörtert werden dürfen, verweisen viele auf die ungelösten Probleme innerhalb der musikalischen Leitung.
Die Elternvertreterinnen der Domsingknaben haben bereits angekündigt, ihre Kinder vorerst nicht mehr in die Domsingschule zu schicken. Damit wird deutlich, dass die Kündigung nicht nur das unmittelbare Ensemble betrifft, sondern auch die zukünftige Bindung junger Talente an die Freiburger Dommusik in Frage stellt. Böhmann selbst hat gegen die Kündigung Klage erhoben, doch ein Arbeitsgericht wies diese ab, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Die Herausforderungen der Kirchenmusik
Die Situation in Freiburg widerspiegelt ein größeres Problem innerhalb der Kirchenmusik in Deutschland. Aktuell engagieren sich rund 800.000 Menschen in etwa 30.000 Kirchenchören. Dennoch steht die Kirchenmusik vor einer Krise, die insbesondere durch einen Mangel an fähigen Nachwuchsmusikern gekennzeichnet ist. Gunter Kennel, Landeskirchenmusikdirektor, warnt vor der Gefahr, dass das System der Kirchenmusik aufgrund des Nachwuchsmangels zusammenbricht.
Die Notwendigkeit, gut ausgebildete Kantoren und die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Musikern zu fördern, hat für die Kirchen und ihre musikalischen Angebote höchste Priorität. Trotz harter Zugangsvoraussetzungen für viele junge Menschen sind die Studienbedingungen an den Hochschulen für Kirchenmusik als gut zu bewerten. Jörg Fuhr, Kantor an der evangelischen St. Bartholomäuskirche in Pegnitz, engagiert sich aktiv in der musikalischen Früherziehung und zeigt auf, wie wichtig die frühzeitige Bindung junger Menschen an die Kirchenmusik ist.
Insgesamt zeigt sich, dass die aktuellen Ereignisse in Freiburg nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil einer größeren Bewegung sind, die die Zukunft der Kirchenmusik und die darin eingebetteten sozialen und kulturellen Strukturen betrifft. Für die Sängerinnen und Sänger im Freiburger Münster bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und ob die angestrebten Veränderungen im Sinne der künstlerischen und sozialen Gemeinschaft fruchtbar werden.