
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase, die nicht einfach durch hohe Löhne oder Sozialausgaben erklärt werden kann. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat herausgestellt, dass die Stagnation vielfältige Ursachen hat. Die Ursachen liegen vielmehr in den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere im Machtkampf zwischen China und den USA. Laut Böckler-Stiftung hat der Energiepreisschock durch den Wegfall russischen Erdgases zudem nachhaltige negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft.
Die Daten zeigen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Deutschland bis zur Covid-Pandemie ähnlich wie in den USA und besser als in anderen europäischen Ländern wuchs. Dies änderte sich jedoch während der Pandemie. Eine wesentliche Herausforderung ist, dass seit dieser Zeit keine signifikanten Veränderungen in den Löhnen, der Bürokratie oder den Sozialausgaben in Deutschland verzeichnet wurden. Der zunehmende Druck durch die verstärkten industrie- und handelspolitischen Aktivitäten der USA und Chinas trifft besonders die deutsche Exportstruktur.Böckler-Stiftung warnt, dass verkürzte Analysen von den wahren Problemen ablenken.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen
Die Prognosen für 2023 sind bescheiden. Experten erwarten ein minimales Wirtschaftswachstum von lediglich 0,1 Prozent. Um die deutsche Wirtschaft wiederzubeleben, werden konkrete Maßnahmen gefordert. Zu den Vorschlägen gehören eine Investitionsoffensive zur Modernisierung der Infrastruktur, Lösungen für hohe und volatile Energiepreise sowie eine koordinierte Industriepolitik in der EU zur Unterstützung zentraler Zukunftsbranchen. Es besteht die dringende Notwendigkeit, die EU-Handelspolitik an die Herausforderungen durch China und die USA anzupassen, um die Technologieführerschaft zu verteidigen und die Absatzmärkte zu diversifizieren.Böckler-Stiftung hebt hervor, dass die deutsche Wirtschaft seit der Jahrtausendwende ein preisbereinigtes BIP-Wachstum von rund 25 Prozent erlebt hat.
Die wirtschaftliche Entwicklung lässt sich in zwei Perioden unterteilen: Von 2000 bis 2009 verzeichnete Deutschland einen starken Exportzuwachs bei gleichzeitig geringer Inlandsnachfrage, während von 2010 bis 2019 höhere Löhne und eine stärkere Inlandsnachfrage eine ausgeglichenere Wachstumsdynamik ermöglichten. Trotz der schwierigen Bedingungen belegt Deutschland in einer internationalen Rangliste den ersten Platz für Unternehmertum und den siebten Platz für Lebensqualität unter 89 Ländern. Zudem hat Deutschland die dritthöchste Anzahl an Wissenschafts- und Technologieclustern nach China und den USA.Böckler-Stiftung
Geopolitische Spannungen und deren Auswirkungen
Die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China, die sich in einem intensiven technologischen Wettkampf manifestieren, haben nicht nur ökonomische, sondern auch sicherheitspolitische Implikationen. In den letzten Wochen haben die USA ihre Exportkontrollen für KI-Chips verschärft und über 140 chinesische Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt. China reagierte mit Exportverboten für essenzielle Rohstoffe wie Gallium und Germanium, die für die Halbleiterherstellung erforderlich sind. Der Handelskonflikt hat sich zu einem geopolitischen Machtkampf entwickelt, bei dem die USA versuchen, den technologischen Vorteil Chinas zu untergraben.InvestmentWeek berichtet, dass US-Handelsministerin Gina Raimondo die neuen Exportkontrollen als die „schärfsten“ bezeichnet hat, die je verhängt wurden.
Die Risiken sind nicht nur auf die USA und China beschränkt. Deutsche Unternehmen, die auf den chinesischen Markt angewiesen sind, stehen unter Druck, sich den US-Sanktionen anzuschließen. Elisa Hörhager vom Bundesverband der Industrie (BDI) warnt vor möglichen negativen Auswirkungen auf die deutschen Firmen. Darüber hinaus verfolgte China seit 2015 mit der Initiative „Made in China 2025“ das Ziel, 70 Prozent der benötigten Halbleiter selbst zu produzieren. Trotz der Skepsis westlicher Experten hat China erhebliche Fortschritte erzielt, wie das Beispiel des Huawei Mate 60 zeigt, das mit einem fortschrittlichen Sieben-Nanometer-Chip ausgestattet ist.InvestmentWeek
Die intraglobale Vernetzung wird zunehmend auf die Probe gestellt. Vor diesem Hintergrund planen Länder wie Kanada, importierte Waren aus China mit hohen Zöllen zu belegen, um ein Gleichgewicht gegenüber dem unfairen Wettbewerb Chinas zu schaffen. Der technologische Wettkampf, gepaart mit dem Risiko der Deglobalisierung, könnte dazu führen, dass alle beteiligten Staaten Wohlstand einbüßen, was als ein Rattenrennen beschrieben wird, das letztlich niemanden gewinnt.Die Presse.