
Die Diskussion um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nimmt neue Züge an, nachdem Oliver Bäte, der Chef der Allianz, die Wiedereinführung eines Karenztages vorgeschlagen hat. Dieser Tage würde bedeuten, dass Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen müssten, was die Kritiker auf den Plan ruft. Der Karenztag wurde zuletzt in den 1970er Jahren abgeschafft und ist daher ein sensibles Thema in der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Die Kritiker, darunter Gewerkschaften und politische Vertreter, argumentieren vehement gegen diesen Vorschlag und warnen vor negativen Folgen.
Die im Schnitt 20 Krankheitstage pro Jahr, die Arbeitnehmer in Deutschland laut DGB im Jahr 2023 aufweisen, stehen im Vergleich zu den 8 Tagen, die im EU-Schnitt verzeichnet werden. Unternehmen in Deutschland zahlen jährlich rund 77 Milliarden Euro für die Gehälter ihrer krankgeschriebenen Beschäftigten, so die Ergebnisse der bisherigen parlamentarischen Debatten.
DGB-Chefin Anja Piel äußert sich besorgt über die Situation und betont, dass viele Beschäftigte trotz Krankheit arbeiten, was als „Präsentismus“ bezeichnet wird. Diese Praxis gefährdet nicht nur die Gesundheit der Arbeitnehmer, sondern kann auch zu Ansteckungen führen. Piel hat daher den Vorschlag der Allianz als „zutiefst ungerecht“ eingestuft.
Politische Reaktionen auf den Vorschlag
Parallel zu den gewerkschaftlichen Reaktionen fordert Jan van Aken, Parteichef der Linken, ein klares Bekenntnis zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von den Kanzlerkandidaten der etablierten Parteien. Van Aken hat Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) aufgefordert, klare Ablehnungen von Einschränkungen in diesem Bereich zu formulieren. Die Debatte über den Karenztag hat auch zu einer gewissen Spaltung unter den politischen Akteuren geführt. Während CDU-Politiker Sepp Müller offen für eine Diskussion ist, finden andere den Vorschlag schlicht inakzeptabel.
Bäte argumentiert, die Wiedereinführung des Karenztages könnte die Arbeitgeber finanziell entlasten und Einsparungen von bis zu 40 Milliarden Euro jährlich ermöglichen. Er vergleicht die Situation in Deutschland mit anderen EU-Ländern, wie Schweden, Spanien und Griechenland, wo es keine Lohnfortzahlung ab dem ersten Tag gibt. Dies bringt jedoch die IG Metall auf die Barrikaden, die den Vorwurf der „Krankmacherei“ als unverschämt bezeichnet. Sozialexperte Bernd Raffelhüschen hat ebenfalls den Vorschlag eines unbezahlten Krankheitstags unterstützt.
Fehlzeiten und ihre Folgen
Die steigenden Fehlzeiten, die in den letzten Jahren verursacht wurden durch hohe Arbeitsbelastung, Stress und psychische Erkrankungen, verschärfen die Problematik. Das Statistische Bundesamt berichtete, dass die Arbeitnehmer im Durchschnitt 15,1 Arbeitstage im Jahr 2023 krankgemeldet waren. DAK-Gesundheit spricht von 20 Fehltagen pro Kopf im Jahr, was die Notwendigkeit für eine gerechte Regelung der Lohnfortzahlung unterstreicht.
Die Diskussion über Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird zunehmend angereichert durch unterschiedliche Perspektiven aus der Politik und von Unternehmensführern. Während die Allianz ihre Argumente formuliert, um für eine finanzielle Entlastung der Arbeitgeber zu plädieren, stehen Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter auf der anderen Seite, um die Rechte der Beschäftigten zu verteidigen.
Diese komplexe Debatte um die Lohnfortzahlung während Krankheitsfällen bleibt weiterhin ein heißes Thema, bei dem sowohl wirtschaftliche als auch soziale Überlegungen eine Rolle spielen. Ob es zu Veränderungen kommen wird, die die derzeitige Praxis der Lohnfortzahlung gefährden, bleibt abzuwarten.
Für weitere Informationen zu diesen Themen können Sie die Artikel von MDR, ZDF und Tagesschau lesen.