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Allianz-Chef plant Lohnstopp am ersten Krankheitstag – Was steckt dahinter?

Oliver Bäte von der Allianz fordert den umstrittenen Karenztag, an dem Arbeitnehmer am ersten Krankheitstag ohne Lohn dastehen. Gewerkschaften warnen vor negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitsmoral.

Der Vorstoß des Allianz-Vorstandschefs Oliver Bäte, am ersten Krankheitstag keinen Lohn zu zahlen, sorgt für hitzige Diskussionen in Deutschland. Diese Idee, die als Einführung eines sogenannten Karenztags diskutiert wird, trifft auf starke Widerstände von Seiten der Gewerkschaften und beschäftigt auch die Öffentlichkeit. Bäte argumentiert, dass die hohen Krankheitskosten das System der sozialen Sicherung belasten und fordert eine Reform, um diese Ausgaben zu senken. Im letzten Jahr kam es in Deutschland zu durchschnittlich 20 Krankentagen pro Arbeitnehmer, was 12 Tagen über dem EU-Durchschnitt liegt. Solche Zahlen schaffen einen belastenden Eindruck und lösen Fragen über das Krankheitsverhalten in der Arbeitswelt aus.

Die Diskussion um den Karenztag umfasst jedoch nicht nur die finanziellen Aspekte, sondern berührt auch tiefere Themen wie die Arbeitsmoral der Deutschen. Trotz gesundheitlicher Beschwerden zeigen viele Beschäftigte ein Verhalten, das als Präsentismus bekannt ist – sie erscheinen krank zur Arbeit. Laut IAB-Forum meldeten sich im Jahr 2017 mehr als die Hälfte der Beschäftigten mindestens einmal krank zur Arbeit und führten damit zu einem signifikanten Produktivitätsverlust.

Präsentismus als Problem

Präsentismus verursacht nicht nur direkte Gesundheitsrisiken für die Arbeitnehmer selbst, sondern gefährdet auch Kollegen und Kunden, insbesondere in Berufen im Gesundheits- und Pflegebereich. In einer Befragung gaben 80% der unzufriedenen Mitarbeiter an, mindestens einmal im Jahr trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig: Angst vor Jobverlust, hohe Erwartungen von Arbeitgebern und eine Unternehmenskultur, die solche Praktiken begünstigt.

Anja Piel vom Deutschen Gewerkschaftsbund äußerte sich kritisch zu Bätes Vorschlag. Sie warnte davor, dass der Karenztag die Gesundheit der Arbeitnehmer zusätzlich gefährden könnte, indem er das bestehende Problem des Präsentismus verschärfe. Dies steht im Widerspruch zu den Bestrebungen, ein gesundheitsbewusstes Arbeitsumfeld zu fördern. Angesichts der Sorgen über hohe Krankheitskosten fürs System ist es jedoch wichtig, das gegenteilige Problem zu bedenken: dass Beschäftigte bei Krankheit zur Arbeit gehen und damit das Risiko für längerfristige Ausfälle erhöhen.

Der wirtschaftliche Kontext

Für die deutsche Wirtschaft sind krankheitsbedingte Arbeitsausfälle, die im Jahr 2017 durchschnittlich 19,4 Tage pro krankenversicherten Beschäftigten betrugen, eine bedeutende Herausforderung. Arbeitgeber und Krankenversicherungen haben ein starkes Interesse daran, die Abwesenheitstage zu reduzieren. Eine andere Betrachtungsweise zeigt jedoch, dass Präsentismus oft höhere Kosten verursacht als der Urlaub, den Arbeitnehmer im Krankheitsfall in Anspruch nehmen. Über die Jahre wurde festgestellt, dass Personen, die häufig krank zur Arbeit kommen, eine um 74% höhere Wahrscheinlichkeit haben, länger als zwei Monate aufgrund von Krankheit auszufallen.

Zusätzlich dazu wird die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Gesellschaft deutlich. Es reicht nicht aus, sich nur auf die Krankentage zu konzentrieren, um die Gesundheit der Belegschaft zu bewerten. Praktische Maßnahmen zur Reduzierung von Präsentismus, wie zum Beispiel durch Vertretungsregelungen oder eine Verbesserung der Unternehmenskultur, sind ebenfalls notwendig. Die Debatte über den Karenztag und die Lohnfortzahlung birgt damit weitreichende Implikationen für den Arbeitsmarkt und die Gesundheitspolitik in Deutschland.

Referenz 1
www.t-online.de
Referenz 2
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de
Referenz 3
www.iab-forum.de
Quellen gesamt
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