
Im jüngsten Diskurs über die Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz hat eine umstrittene Äußerung des Allianz-Versicherungschefs Oliver Bäte für empörte Reaktionen gesorgt. In einem Interview äußerte Bäte die Ansicht, dass Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag ohne Attest selbst tragen sollten. Diese Aussage hat in den Medien hohe Wellen geschlagen und die Debatte um Krankmeldungen neu entfacht. Das Thema erhält zusätzlich Brisanz durch einen Aushang eines Paketshop-Betreibers, der seinen Unmut über einen kranken Mitarbeiter kundtat, der die Öffnungszeiten einschränkt. Der Aushang bezeichnet den Mitarbeiter als „mal wieder krank“, was als passiv-aggressiv wahrgenommen wurde und auf HNA große Empörung auf Plattformen wie Reddit hervorrief.
Die hohe Krankheitsrate in Deutschland wird von Bäte als signifikanter Kostenfaktor angeführt. Mercedes-Chef Ola Källenius schloss sich dieser Kritik an und verglich die Situation in Deutschland mit anderen Ländern, wo ähnliche Arbeitsbedingungen vorherrschen. Die Diskussion um Krankmeldungen und Arbeitsbedingungen wird im Kontext des bevorstehenden Wahlkampfs am 23. Februar erwartet und könnte Einfluss auf politische Agenden haben.
Ursachen von Fehlzeiten
Um die Hintergründe dieser Thematik besser zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Ursachen von Fehlzeiten zu werfen. Der aktuelle Fehlzeiten-Report der AOK zeigt, dass Muskel- und Skelett-Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen die häufigsten Gründe für Krankschreibungen sind. Zudem hat die erhöhte Verbreitung von Viren, vor allem im Zusammenhang mit Corona, die Anfälligkeit für Erkrankungen verstärkt. Besonders bedenklich ist der Anstieg der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen, deren Fallzahlen in den letzten zehn Jahren um nahezu 47 Prozent gestiegen sind. Dies spricht für eine zunehmende Belastung der Erwerbstätigen in Deutschland, die häufig auch lange Ausfallzeiten zur Folge hat. Der durchschnittliche Krankheitsfall wegen psychischer Erkrankungen dauert im Jahr 2023 sogar 28,1 Tage, während Atemwegserkrankungen durchschnittlich 6,1 Tage auslösen.
Eine differenzierte Betrachtung der Fehlzeiten legt nahe, dass in der deutschen Wirtschaft etwa 23 Prozent der Fehlzeiten auf Muskel- und Skelett-Erkrankungen entfallen. Psychische und Verhaltensstörungen machen 13 Prozent der Fehlzeiten aus, gefolgt von Atemwegserkrankungen mit 15 Prozent. Dies verdeutlicht die gesundheitlichen Risiken, denen Beschäftigte in einer sich verändernden Arbeitswelt ausgesetzt sind. Die Kosten durch Produktionsausfälle infolge von Arbeitsunfähigkeit werden auf erschreckende 85 Milliarden Euro geschätzt.
Ungleichgewicht der Arbeitsbelastungen
Ein weiterer Aspekt der Diskussion ist die Ungleichheit hinsichtlich der Arbeitsbelastungen in verschiedenen Berufszweigen. Studie zeigen, dass Beschäftigte in manuellen Tätigkeiten oder einfachen Dienstleistungsberufen häufiger und länger krankheitsbedingt ausfallen als Menschen in hochqualifizierten Berufen. Die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz spielen dabei eine zentrale Rolle. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Beschäftigte mit niedrigem Berufsstatus deutlich häufiger größeren physikalischen und psychosozialen Belastungen ausgesetzt sind. Diese Missstände führen zu einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitsanforderungen und Einflussmöglichkeiten sowie zwischen Verausgabung und Belohnung.
Ein gesundes Arbeitsumfeld ist entscheidend für die Produktivität und das allgemeine Wohlbefinden der Arbeitnehmer. Angesichts der steigenden Krankheitsraten und der damit verbundenen gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Kosten ist es von elementarer Bedeutung, politische Maßnahmen in Betracht zu ziehen, die die Arbeitsbedingungen verbessern und persönliche sowie gesellschaftliche Gesundheitsrisiken mindern.